600 Stunden aus Edwards Leben
Handrücken über die Nase schlägt. Ich habe noch gar nicht begriffen, was passiert ist, als ich spüre, wie sich das beißende Brennen über mein Gesicht ausbreitet. Tränen schießen mir in die Augen, und ich schmecke Blut, das aus den Nasennebenhöhlen in meinen Mund läuft.
»Himmel, Ted!«, ruft Jay L. Lamb, springt auf und packt meinen Vater bei den Schultern. Mein Vater sackt zusammen und setzt sich auf die Glasplatte von Jay L. Lambs Schreibtisch.
Ich fahre mir mit dem rechten Handrücken über die Augen, um die Tränen abzuwischen. Dann tupfe ich unter meine Nase und sehe kleine Blutstropfen.
»Ich möchte Sie eindringlich bitten, dass Sie unterzeichnen und dann gehen. So etwas wollen wir hier nicht haben«, sagt Jay L. Lamb zu mir.
»Sie werden dafür bezahlt, dass Sie
ihm
Ratschläge erteilen, nicht mir«, sage ich. »Geben Sie mir einen Stift.«
Bevor ich Jay L. Lambs Büro verlasse, sage ich noch ein Letztes.
»Ich habe heute deine gute Kritik im
Billings Herald-Gleaner
gelesen, Vater.«
Er fixiert mich mit müdem Blick. »Fahr nach Hause, Edward. Wir hatten genug Scheiße für einen Tag.«
Auf der Fahrt nach Hause sehe ich, dass es angefangen hat zu schneien – die feinen Flocken lösen sich auf, sobald sie den Boden berühren.
Ich kann nicht fassen, was da gerade passiert ist. Mein Vater hat mich schon immer angeschrien und beleidigt. Aber er hat mich noch nie geschlagen. Mein Vater hat mir das Herz gebrochen.
Ich hasse ihn. Hass ist ein Wort, das man nicht leichtfertig benutzen sollte. Ich denke noch einmal darüber nach, dann bleibe ich dabei. Ich hasse meinen Vater.
Als ich zu Hause in meine Auffahrt einbiege, sehe ich Donna Middleton in ihrem Vorgarten. Ich steige aus, und sie winkt fröhlich und ruft: »Wie geht es Ihnen?«
Ich sehe sie nicht an. Ich winke halbherzig zurück, gehe dann schnurstracks zu meiner Haustür, schließe sie auf und verschwinde ins Haus.
Um 22:00 Uhr bin ich vollkommen erschöpft. Ich habe den Tag nach meiner Rückkehr abwechselnd mit Schlafen und wütendem Herumstampfen verbracht und gelegentlich auch geweint. Ich schäme mich nicht dafür. Weinen macht mich nicht zu einem Baby. Weinen kann viele Anlässe haben und viele Gründe: Ärger, Frustration, Trauer, Schlafmangel. Ich denke, ich leide unter allen vieren, und ich glaube, das ist der Grund, weshalb ich geweint habe.
Es ist Zeit für den
Polizeibericht
, auch wenn ich nicht mehr viel Energie dafür aufbringen kann. Aber ich habe schon eine Folge der ersten Staffel versäumt, und eine weitere auszulassen, würde mich furchtbar aus dem Rhythmus bringen. Ich lege das Videoband ein und drücke »Play«.
Die heutige Folge ist die neunte der ersten Staffel in Farbe und heißt »Pelz-Diebstahl«. Sie wurde das erste Mal am 16. März 1967 ausgestrahlt und ist eine meiner Lieblingsfolgen.
Darin wird ein Kürschner namens Emile Hartman (gespielt von Henry Corden, der in zwei Folgen von
Polizeibericht
mitspielt und in fast jeder bekannten Fernsehshow der Sechziger und Siebziger) von Einbrechern ausgeraubt. Sergeant Joe Friday und Officer Bill Gannon werden mit den Ermittlungen betraut, und sie beschließen, sich als Käufer auszugeben in der Hoffnung, dass die Diebe versuchen werden, die Felle zu verkaufen. Emile Hartman bringt Officer Bill Gannon bei, wie man gute Pelze erkennt, und welche Vokabeln man gebraucht, einschließlich »Haardichte« und »Mutationsfarben«.
Schließlich können Sergeant Joe Friday und Officer Bill Gannon die Verbrecher festnehmen und Emile Hartman die Pelze zurückbringen, sodass sein Unternehmen gerettet ist.
Ich schätze, wenn man bestohlen wird, ist es ein großes Glück, wenn Männer wie Sergeant Joe Friday und Officer Bill Gannon einem die Sachen zurückbringen.
Männer wie sie gibt es nicht genug.
Wie Sie vielleicht vermutet haben, besitze ich bereits einen grünen Aktenordner für den Mann, der meinen Vater juristisch vertritt: Jay L. Lamb. Eigentlich sollte ich meinem Vater schreiben, aber ich weiß einfach nicht, was ich einem Mann sagen soll, den ich plötzlich nicht mehr kenne.
Mr Lamb,
ich muss erneut meinen Einwand gegen Ihre Einmischung in Dinge vorbringen, die innerhalb meiner Familie geregelt werden sollten. Ich weiß natürlich, dass Sie nach den Launen meines Vaters handeln, aber ich muss mich fragen, ob es wirklich 350 $ pro Stunde wert ist, dass Sie in Bereiche vordringen, die Sie nichts angehen und in denen Sie nicht willkommen sind. Meine Antwort
Weitere Kostenlose Bücher