600 Stunden aus Edwards Leben
Mutter es tut. Dass Du ihn wissen lässt, dass ich ihn liebe. Und dass wir ihn vermissen.
Ich merke, dass dies kein Beschwerdebrief ist. Ich hoffe, Du verstehst das. Ich fühle mich heute nicht in der Stimmung, mich zu beschweren, obwohl es vieles gäbe, worüber ich mich beschweren könnte. Ich suche nur nach etwas Frieden. Es war eine harte Woche. Es war schon eine harte Woche, bevor mein Vater starb. Jetzt ist sie noch härter.
Ich habe noch eine weitere Hoffnung, Gott, falls Du Zeit oder Lust dazu hast: Könntest Du Dich wohl dazu durchringen, uns etwas Frieden zu schicken?
Mit freundlichen Grüßen,
Edward Stanton
SONNTAG, 2. NOVEMBER
Als ich zum neunzehnten Mal in diesem Jahr um 7:37 Uhr aufwache (weil es ein Schaltjahr ist), fallen mir sofort zwei Dinge ein:
Erstens ist dies der dritte Tag ohne meinen Vater. Ich notiere dies in meinem Notizbuch.
Zweitens ist es der erste Spieltag der Dallas Cowboys in meinem Leben ohne ihn.
Wenn ich bedenke, wie gern ich Dinge zähle, wie gern ich die Dallas Cowboys mag und wie gern mein Vater die Dallas Cowboys mochte, finde ich, dass ich meinen Daten eine neue Spalte hinzufügen sollte. Ich aktualisiere meine Notizen, und meine Daten sind vorerst vollständig.
Seit mein Vater vor acht Jahren dieses Haus für mich gekauft hat – vor acht Jahren und 106 Tagen –, haben er und ich nicht mehr so viele Spiele der Dallas Cowboys zusammen angesehen wie vorher, als wir noch im selben Haus wohnten. Ich hätte daran denken sollen, die Spiele zu zählen, die wir in jenen Jahren zusammen gesehen haben, aber das waren unregelmäßige Ereignisse, an denen ich nicht so interessiert bin wie an solchen, die einem bestimmten Muster folgen. Ich verbringe jedes Thanksgiving im Haus meiner Eltern – jetzt das Haus meiner Mutter –, und die Dallas Cowboys spielen immer zu Thanksgiving, also sind es in der Mehrzahl wohl diese Spiele gewesen, die wir in den letzten acht Jahren und 106 Tagen zusammen gesehen haben.
Die Spiele der Dallas Cowboys zu Thanksgiving finden regelmäßig statt, und so wird es Sie nicht verwundern, dass ich dazu eineStatistik erstellt habe. In den acht Spielen, die die Dallas Cowboys seit dem Kauf dieses Hauses bestritten, haben sie viermal gewonnen und viermal verloren. Das entspricht einer Quote von fünfzig Prozent, und das ist nicht sehr gut, zumindest nicht für die Dallas Cowboys. Ich nehme an, dass ich auch jetzt, nach dem Tod meines Vaters, das bevorstehende Thanksgiving-Fest im Haus meiner Eltern – jetzt das Haus meiner Mutter – verbringen und das Spiel der Dallas Cowboys gegen die grässlichen Seattle Seahawks sehen werde. Die Dallas Cowboys sollten das Spiel gewinnen, obwohl das zu diesem Zeitpunkt noch Spekulation ist. Ich bevorzuge Tatsachen.
Ich schätze, was ich sagen will, ist Folgendes: Ich habe eine Menge Spiele der Dallas Cowboys mit meinem Vater gesehen, auch wenn man einbezieht, dass es in den letzten acht Jahren und 106 Tagen relativ wenig waren. Es ist seltsam, sich vorzustellen, dass er nicht da sein wird, wenn die Dallas Cowboys irgendwann demnächst gegen die New York Giants spielen, die überhaupt nicht grässlich sind. Ich wünschte, mein Vater wäre hier. Er hasste die New York Giants.
Ich lese meine Morgenzeitung – die mir mitteilt, dass die gestrige Höchsttemperatur minus null Komma fünf und die Tiefsttemperatur minus sieben Grad Celsius betrugen – zu Cornflakes, Orangensaft und Fluoxetin. Der
Billings Herald-Gleaner
sagt außerdem, es werde heute bis zu fünf Grad warm und bis zu null Komma fünf kalt werden, aber das hat für mich nicht die Bedeutung der ersten beiden Daten. Die ersten beiden Daten sind Tatsachen, die anderen zwei nur Vorhersagen. Ich bevorzuge Tatsachen.
Dem
Billings Herald-Gleaner
nach zu urteilen, besteht ein großes Interesse an der Präsidentschaftswahl am kommenden Dienstag, also in zwei Tagen. Falls Sie es wissen wollen: Ich habe dem Präsidentschaftsrennen bislang nicht viel Aufmerksamkeit geschenkt. Wenn einem Tatsachen so wichtig sind wie mir, ist es schwer, sich für jegliche Art von Politik zu interessieren. Die Präsidentschaftskandidaten scheinen sich oft mehr für den richtigen »Dreh« zuinteressieren – also das inszenierte Verdrehen von Tatsachen, um eine für sie günstige Haltung zu präsentieren. In der Politik wird so etwas tatsächlich geschätzt. Es wird sogar als Kunstform erachtet. Ich verstehe das nicht, und um mich nicht verrückt machen zu lassen (ein
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