61 - Der verlorene Sohn 02 - Der Schmugglerkönig
mich dieser Angelegenheit ein wenig angenommen.“
Jetzt gab es eine Erklärung nach der anderen, bis Robert endlich einsah, daß es sich wirklich nicht um ein Geschenk, sondern um ein wohlverdientes Honorar handle.
Mit welcher Genugtuung ihn das erfüllte. Er fühlte plötzlich, daß er auch eine Bedeutung habe; es überkam ihn eine Sicherheit, welche er vorher an sich gar nicht gekannt hatte. Er galt etwas in der großen Zahl jener Wesen, welche man mit dem Sammelwort Menschheit bezeichnet. Und das, was er galt, war ihm in Guldenscheinen zugemessen worden! Ah, was würde Marie dazu sagen, Marie, seine Schwester?
Aber er kam nicht dazu, diese letzte Frage auszudenken, denn da ganz in seiner Nähe gab es ein anderes Wesen, dessen Meinung ihm noch viel wichtiger zu sein dünkte als diejenige der Schwester. Er sagte sich dies nicht deutlich und ausdrücklich, aber er fühlte und er ahnte es.
Später kam noch ein anderer Gast dazu, dessen Erscheinen keinem sympathisch zu sein schien – der Baron Franz von Helfenstein. Er war nicht geladen, sondern aus eigener Initiative gekommen.
Man ging zur Tafel. Robert kam neben die Baronesse Alma von Helfenstein zu sitzen. Sie unterhielt sich mit ihm so freundlich, als ob sie sich ganz ebenbürtig seien und sich bereits sehr oft gesehen hätten. Das Auge des Barons Franz hing an ihnen. Was dachte er? Es war klar, daß irgendein eigentümlicher Gedanke ihn beschäftigte. Auch der Oberst hatte mit seiner Frau eine halblaute Bemerkung ausgetauscht. Jetzt sagte er über die Tafel herüber zu Baron Franz: „Herr Baron, Sie sitzen gerade am richtigen Ort, um es beurteilen zu können. Finden Sie nicht auch diese ganz ungemeine Ähnlichkeit?“
„Welche?“
„Zwischen Ihrer Cousine und unserem Herrn Bertram?“
Es war dem Baron, als habe ihm jemand einen Stich versetzt. Er antwortete im Ton komischer Entrüstung:
„Da finden Sie wirklich eine Ähnlichkeit?“
„Allerdings.“
„Nun, Herr Bertram wird nichts dagegen haben. Wenn auch meine Cousine sich über diese Entdeckung geschmeichelt fühlt, so habe ich natürlich nichts dagegen.“
Das war eine Beleidigung für Bertram. Dieser fühlte es gar wohl, darum antwortete er:
„Vielleicht habe ich doch etwas dagegen. Ich gestehe aufrichtig, daß es mir nicht ganz gleichgültig ist, mit wessen Cousine man mich vergleicht!“
Es entstand eine sekundenlange Pause. Der Baron entfärbte sich. Jedermann fühlte den Hieb, den er erhalten hatte. Daß dieser Hieb saß, das sah man demjenigen an, der getroffen worden war.
„Ah, wohnten Sie nicht in meinem Haus?“ fragte er.
„Ja.“
„Ihr Vater war der Schneider Bertram?“
„Allerdings, jener arme, aber brave Schneider Bertram, der sich über nichts so sehr gewundert hat als darüber, daß ein Baron auf das Unglück seiner Mieter zu spekulieren vermag.“
Dieser Hieb traf noch viel besser als der erste. Der Baron biß die Zähne zusammen. Die Wirtin, welche einen ernstlichen Zwist befürchtete, brachte schnell das Gespräch auf ein anderes Thema; aber die Spannung war vorhanden, und sie blieb bestehen.
Nach und nach äußerte der Wein seine anregende Wirkung. Man sprach von Kunst und Wissenschaft, von Musik und Theater und blieb längere Zeit bei der Dichtkunst stehen. Der Oberst behauptete, daß der Reim das Schwerste des Dichtens sei; seine Tochter bestritt das. Sie behauptete, daß ein von Gott begnadeter Dichter den Reim spielend überwinde.
„Nun“, sagte der Fürst; „es ist ja ein Dichter unter uns. Bitten wir ihn, den Kampf zu entscheiden!“
„Ja, Herr Bertram“, sagte Fanny, „wem geben Sie recht?“
„Beiden“, antwortete er. „Es gibt Dichter, welche schwer mit dem Reim kämpfen mußten, und deren Namen wir trotzdem in erster Reihe nennen, während manchem Dichterlinge die Reime wie Schneeflocken zufallen.“
„Wie ist es da bei Ihnen?“ fragte Alma von Helfenstein.
„Ich würde zu diesen Dichterlingen gehören.“
„So reimen Sie leicht?“
„Sehr leicht. Ich mache mich anheischig, so lange im Reim zu sprechen, wie es gewünscht wird.“
„Und die Qualität dieser Reime?“ bemerkte Baron Franz in spottendem Ton.
„Würde wohl zu Ihrer Zufriedenheit ausfallen, wie ich den Dichter der Wüstenbilder kenne“, antwortete Fanny.
„Fast möchte man es einmal erproben!“
Fanny ließ sich durch den Baron hinreißen.
„Gut!“ sagte sie. „Geben wir Herrn Bertram ein Thema!“
Dieser Gedanke fand sofort allgemeinen Beifall.
„Ein
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