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616 - Die Hoelle ist ueberall

Titel: 616 - Die Hoelle ist ueberall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Zurdo
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begegnet.
    »Schön, dich zu sehen, Albert.«
    »Gleichfalls. Allerdings würden wir uns heute nicht treffen, wenn es das Problem nicht gäbe, wegen dem ich dich gestern angerufen habe. Mein Rückflug nach Boston geht noch heu-te.«
    Cloister wirkte im Gegensatz zu seinem Freund erschöpft, obwohl er eigentlich nicht körperlich müde, sondern eher geistig zermürbt war. Der Bibliothekar bemerkte es, wusste jedoch, dass es besser war, heiter darüber hinwegzugehen, als nach dem Grund zu fragen.
    »Tja, ich muss sagen, unter diesen Umständen freue ich mich über dein Problem. Komm mit, ich bringe dich hin.«
    Sie gingen durch die Sicherheitsschleuse. Gracia öffnete mit seiner Chipkarte eine Tür, und von dort aus liefen sie durch holzgetäfelte Korridore bis zu den Aufzügen.
    »Eine Abkürzung.«
    Sie fuhren in den vierten Stock. Die aktuelle Anordnung der Räume unterschied sich von der im ursprünglichen Palast. Sie waren niedriger, um den verfügbaren Platz besser auszu-nutzen. Gerade, als die Aufzugtür sich öffnete und sie in den Gang hinaustraten, schob ein junger Bibliothekar einen Wa-gen mit ordentlich gestapelten Büchern vor sich her. Er war ein wenig nachlässig gekleidet und wirkte wie einer dieser politisch alternativen Intellektuellen. Er trug ein T-Shirt mit der Aufschrift: »Rette die Literatur – sag NEIN zu Bestsel-lern.«
    »Ein unangepasster, streitlustiger junger Mann«, sagte Gra-cia und lachte in sich hinein.
    Unter anderen Umständen hätte Cloister in sein Lachen eingestimmt. Doch ihm war nicht nach Scherzen zumute. Und das tat ihm aufrichtig leid, denn der Humor ist das Letz-te, was man verlieren darf. Dann schon eher die Hoffnung.
    »Weißt du was? Im Augenblick arbeite ich an einem Artikel über eines der heikelsten Themen in der Geschichte der Nationalbibliothek«, fuhr Cecilio Gracia fort, der um jeden Preis die schwarze Stimmung seines Freundes aufheitern woll-te. »Es ist ein Thema, das bei den Älteren hier immer noch für Wirbel sorgt. Ein amerikanischer Forscher hat dafür gesorgt, dass das ganze System hier in Verruf geriet – Jules Pic-cus heißt er. Irgendwann erzähle ich dir einmal ausführlicher davon.«
    »Jules Piccus? Der Name sagt mir nichts.«
    »Es war in den Sechzigern auf der Titelseite der New York Times. Jules Piccus war der Wissenschaftler, der die verlorenen Manuskripte von Leonardo da Vinci entdeckte.«
    »Sie waren verlorengegangen? Wo denn?«
    »Zwischen den Millionen von Büchern hier in der Bibliothek. In irgendeinem Regal, zwischen lauter Büchern, deren einziger Wert ihr Inhalt ist, und das ist nicht wenig … Aber die Bücher, die ich meine, waren Originalmanuskripte des Genies der Genies … Und sie steckten irgendwo zwischen den anderen Büchern, wie eine Nadel im Heuhaufen.«
    »Und wie hat er sie dann gefunden?«
    »Jules Piccus stellte fest, dass seine Signatur nicht stimmte, und so konnte er die Bücher bei einem Bibliothekar bestellen. Was seit Hunderten von Jahren niemandem mehr gelungen war, gelang ihm dank eines Glücksfalls!«
    »Aber woher wusste er die richtigen Signaturen?«
    Gracia hatte sein Ziel fast erreicht. Wenn ein Thema nur interessant genug war, wollte Cloister garantiert mehr darüber erfahren. Unfehlbar. Es funktionierte perfekt.
    »Ah, natürlich, das war ja das Merkwürdige daran.« Gracia machte eine dramatische Pause, die Cloister bemerkte und mit einem schwachen Lächeln quittierte. »Die beiden Kodizes waren frei zugänglich, ohne dass irgendjemandem klar war, worum es sich in Wirklichkeit handelte. Na gut, Piccus schon. Die Geschichte ist eines Rocambole würdig. Wenn ich den Artikel fertig habe, schicke ich ihn dir. Die ganze Geschichte dieser Kodizes ist unglaublich.«
    Sie hatten ihr Ziel erreicht – deckenhohe Regale mit Bü-chern, so weit das Auge reichte. Die beiden Männer liefen durch den Hauptgang, Gracia voran. Irgendwann bog er nach rechts ab, ging noch einige Schritte, wobei sein Blick über die Signaturen der Bücher glitt, und schließlich wandte er sich wieder nach links. Er streckte die Hand aus und deutete auf das Buch, nach dessen Signatur Pater Cloister am Tag zuvor gefragt hatte.
    »Ist es das?«
    »Ja. Das heißt, das ist das Buch, aber es ist nicht das, wo-nach ich gesucht habe.«
    »Lass mal sehen …«, sagte Gracia rein rhetorisch. »Bericht über den Empfang, welchen Seine Heiligkeit Papst Paul V. und die übrigen Kardinäle dem Botschafter der japanischen Lande in Rom bereitet haben. Ja, das

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