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616 - Die Hoelle ist ueberall

Titel: 616 - Die Hoelle ist ueberall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Zurdo
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die man beim Verlassen der Bibliothek keine Chipkarte und keinen Code benötigte – und dann durch die von einem Wachmann bediente Sicherheitsschleuse. Nur ganz kurz drehte er sich um und sagte: »Es tut mir leid.«
    »Mir auch«, erwiderte Gracia. Und an sich selbst gewandt – denn Cloister war bereits durch die dreieckige Glastür entschwunden –, fügte er hinzu: »Hoffentlich findest du, was du suchst. Egal, worum es geht.«

31
    Fishers Island
    Der Himmel war wolkenlos, der Abend mild. Nur der Motor von Maxwells Geländewagen störte die Stille, bis Maxwell ihn abstellte. Er stieg aus und ging im Dunkeln von der Garage zum Haus. Der Schriftsteller war bester Laune. Er pfiff eine eingängige Kindermelodie, die bei der Veranstaltung, deren Star er gewesen war, als Erkennungsmelodie gedient hatte. Er hatte ziemlich viele Bücher signiert. Die Eltern von Fishers Island liebten ihn. Und er liebte ihre Kinder. Maxwell liebte alle Kinder der Welt. Oh, und wie er sie liebte … Eine be-ginnende Erektion zeichnete sich deutlich sichtbar unter sei-ner Wollhose ab. Er brannte darauf, ins Haus zu gehen und sich mit den Spielzeugen in seinem Keller zu vergnügen. Die Dringlichkeit dieses Wunsches beschleunigte seine Schritte. Er pfiff noch immer das Lied, als er die Haustür öffnete. Doch was er dann sah, ließ ihn abrupt verstummen. Die Tür zum Keller war aufgebrochen. Irgendjemand hatte das Schloss förmlich abgerissen. Wo es sich befunden hatte, klaffte nun ein Loch im zersplitterten Holz. Er spürte, wie Zorn ihn von innen her versengte.
    »Wer? Wer?«
    Er erhielt keine Antwort. Seine zuvor heitere Miene hatte sich völlig gewandelt. Mit wütendem Blick sah er sich um. Auf seiner Stirn pochte deutlich sichtbar eine Ader, und in seinen Mundwinkeln sammelten sich Speichelbläschen. Ohne das Licht einzuschalten, stürzte er die Kellertreppe hinunter.
    Beinahe hätte er das Gleichgewicht verloren, ehe er vom letzten Treppenabsatz aus hinuntersprang. Unten schaltete er eine Stehlampe ein.
    »NEEEIIIN!«, brüllte er. Man hatte seinen Tempel ent-weiht. Man hatte ihm eins seiner Spielzeuge geraubt. Sein Lieblingsspielzeug.
    Maxwell ging wieder nach oben. Er schäumte vor Wut. Dann bemerkte er einen fremdartigen Geruch in der Luft: das Parfum einer Frau. Maxwell sah durch den Treppenschacht in den ersten Stock, als hätte er dort eine fremde Präsenz wahrgenommen, und brüllte: »SCHLAMPE!«
    Er rannte wieder los, durch die Küche und dann nach oben. Diesmal konnte er den Sturz nicht vermeiden. Mit ei-nem grässlichen Knirschen prallte Maxwells Nase gegen das eiserne Treppengeländer. Als er wieder aufstand, war sein Gesicht blutverschmiert und seine Nase saß seltsam schief.
    Er achtete nicht auf die Schmerzen, sondern ging weiter auf sein Zimmer zu. Auch bei dieser Tür war das Schloss herausgebrochen worden. Sie stand ebenso offen wie die Kellertür.
    Auf der Schwelle blieb Maxwell stehen; in einer Hand blitzte eine Messerklinge auf. Mit jeder Faser seines Seins ver-strömte er Hass. Er spuckte zur Seite aus, eine Mischung aus Blut und Speichel, und wiederholte, diesmal näselnd: »Schlampe …«
    Auf seinem Bett saß eine Frau. Es war die Fremde, mit der er im Supermarkt gesprochen hatte. Sie wirkte völlig ruhig. Sie summte ein Lied, The Rose von Bette Middler, und hatte die Arme um den abgemagerten Körper eines Jugendlichen gelegt, der wie ein kleines Kind gekleidet war.
    »Wir haben dich erwartet«, sagte Audrey.
    Mit einem wilden Schrei warf Maxwell sich auf sie. Beide rammten einander im selben Augenblick das Messer in den Leib. Mit einem grauenvollen Geräusch bahnten die scharfen Klingen sich einen Weg zwischen Fleisch und Knochen hindurch. Der Junge, den Audrey umarmt hatte, blieb auf dem Bett sitzen und betrachtete schweigend das blutige Bild. Er blieb stumm. Kein Wort drang aus seinem Mund. Kein Angstgeheul, keine Klage. Er konnte keinen Ton hervorbringen. Dafür hatte Anthony Maxwell gesorgt.

32
    Boston
    »Bist du das, Luzifer? Und wenn ja, kannst du mir die Wahrheit enthüllen?«
    Mit diesen direkten Fragen nahm Pater Cloister nach sei-ner Rückkehr nach Boston die Kommunikation per Diktiergerät mit dem Wesen in der Krypta unter dem Vendange Building wieder auf.
    »Du hast es selbst gesagt. Ich bin Luzifer. Du weißt es ja schon, du weißt, dass es stimmt«, erwiderte die Stimme vom Diktiergerät und fuhr fort: »Dir die Wahrheit enthüllen? Nein. Ich schreibe auch auf geraden Zeilen krumm. Du Ärmster,

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