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616 - Die Hoelle ist ueberall

Titel: 616 - Die Hoelle ist ueberall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Zurdo
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Liedtext mit wehmütiger Stimme.
    »Ein schönes Lied, nicht wahr?«
    »Ein trauriges Lied.«
    »Das ist nur, weil ich es so singe …« Er gab Daniel den Blumentopf zurück und reichte Audrey die Hand. »Joseph Nolan.«
    »Audrey Barrett.«
    »Audrey hat meine Blume … gegossen«, warf Daniel ein.
    »Wirklich?«, fragte der Feuerwehrmann.
    »Sind sie mit Daniel verwandt?«
    Audrey hatte gedacht, Daniel sei als Baby vor dem Kloster der Vinzentinerinnen gefunden worden und man habe nie herausgefunden, wer seine Eltern waren. Nun war sie verwirrt. Daniel wirkte so entspannt und vertrauensselig in der Gegenwart dieses Mannes …
    »Na ja, man könnte wohl sagen, dass ich jetzt sozusagen zur Familie gehöre«, antwortete Joseph. »Ich habe ihn beim Brand des Klosters aus dem Feuer gerettet.«
    »Und er hat meine … Rose gefunden.«
    Joseph lächelte Daniel zu und meinte: »Ja. Das auch. Sie stand zwischen den Trümmern.«
    »Also sind Sie der Feuerwehrmann.«
    »Helfen, überleben und dann ab nach Hause.«
    »Ist das Ihr Leitspruch?«
    »Das kommt bei uns einem Leitspruch noch am nächsten, ja.«
    »Verstehe …«
    Audrey klang so unbeteiligt, ihre Fragen und Antworten waren so knapp, dass Joseph sich allmählich unbehaglich fühl-te. Dabei war er bester Stimmung gewesen, bis diese Frau aufgetaucht war. Daniel war trotz aller Beschränkungen eine echte Persönlichkeit, und Josephs Besuche im Altenheim dau-erten immer länger und wurden ihm allmählich zur lieben Gewohnheit. Ehrlich gesagt hatte er den alten Mann ins Herz geschlossen. Dies war ein weiterer Beleg dafür, dass seine Ex-frau unrecht gehabt hatte mit ihrer Behauptung, er liebe nur seinen Baseballhandschuh mit dem Autogramm von David Ortiz und das Gehänge zwischen seinen Beinen.
    Audrey blickte den Mann in Erwartung irgendeiner Antwort an, die jedoch einstweilen ausblieb. Aber in seinem Gesicht erblickte sie ein schelmisches Lächeln, das mit Sicherheit nicht ihr galt. Das Schweigen zog sich in die Länge. Audrey fiel längeres belangloses Plaudern schwer, besonders mit Mitgliedern des anderen Geschlechts. Seit zu vielen Jahren waren sämtliche Männer, mit denen sie sprach, entweder Kollegen oder Patienten, mit Ausnahme des einen oder anderen Klempners, Anstreichers oder Elektrikers, die in ihrer Wohnung oder ihrer Praxis etwas reparieren mussten. Es fehlte ihr an Gewandtheit für banale Konversation, und über Themen, für die das nicht galt, mochte sie mit niemandem sprechen.
    »Audrey möchte, dass … ich ihr … meine Träume erzäh-le«, sagte Daniel und beendete damit das Schweigen.
    »Sind Sie Psychiatriepflegerin? So sehen Sie gar nicht aus«, sagte Joseph. Er hatte Daniel den Rücken zugewandt und die Stimme gesenkt.
    »Das liegt vielleicht daran, dass ich nicht Pflegerin sondern Psychiaterin bin«, erwiderte Audrey ebenfalls leise.
    »Ah, natürlich. Verzeihen Sie, ich wollte Ihnen nicht zu nahe treten.«
    Audrey merkte, dass sie grundlos unfreundlich zu Joseph war. Der Mann war sympathisch, auch wenn er ein wenig unbedarft wirkte. Zudem verbrachten wohl nicht viele Menschen freiwillig den Nachmittag mit einem zurückgebliebenen alten Mann wie Daniel. Sie selbst merkwürdigerweise allerdings auch.
    »Sie sind mir nicht zu nahe getreten. Ich nehme an, ich bin tatsächlich so eine Art Psychiatriepflegerin. ›Verrücktes Zeug anhören, nicht selbst verrückt werden und dann ab nach Hau-se.‹ Das ist unser Leitspruch.«
    Überrascht und zugleich befriedigt hörte Audrey Joseph über ihren Witz lachen. An Lachen war sie ebenfalls nicht mehr gewöhnt. Sie selbst brachte ein schwaches Lächeln zu-stande, das ihren wunderschönen grünen Augen vorübergehend ihr Strahlen zurückgab. Daniel, der nicht mitbekommen hatte, worüber sie gesprochen hatten, lächelte ebenfalls.
    Als das Lachen verklungen war, herrschte erneut Schweigen, das wieder ausgerechnet der Gärtner brach.
    »Ich möchte nicht … von meinen Träumen erzählen. Sie sind schlimm … Es sind schlimme Träume.«
    »Deshalb sollst du sie mir ja erzählen, Daniel«, sagte Audrey und gewann unverzüglich ihre professionelle Haltung zurück. »Damit wir sie zusammen vertreiben können.«
    »Vertreiben?«
    Daniel wirkte nicht überzeugt, trotz Audreys mit Bestimmtheit vorgetragenem Argument. Da fuhr sie fort: »Das ist wie Ungeziefer auf den Pflanzen. Da kannst du nicht die Augen zumachen und darauf warten, dass es von alleine ver-schwindet, verstehst du mich, Daniel? Du musst etwas dagegen

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