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616 - Die Hoelle ist ueberall

Titel: 616 - Die Hoelle ist ueberall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: David Zurdo
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Kugelschreiber gu-cken und dabei auf meine Fragen antworten. In Ordnung?«
    »Das hört sich aber nicht … lustig an.«
    »Ist es aber, glaub mir. Bist du bereit?«
    »Na gut.«
    Audrey hielt Daniel den Kugelschreiber vor die Augen und bewegte ihn hin und her; zuerst langsam, dann immer schneller.
    »Erzähl mir von deinen Alpträumen. Du hast doch immer noch Alpträume, oder?« Das wusste Audrey von der Oberin.
    Daniel wandte den Blick vom Kugelschreiber ab und richtete ihn auf die Pflanze in seinem Schoß.
    »Lass den Kugelschreiber nicht aus den Augen. Die Alp-träume, Daniel. Erzähl mir von ihnen.«
    »Das ist nicht … lustig.«
    Wütend warf Audrey den Kugelschreiber auf den winzigen Tisch. Heute hatte sie überhaupt keine Geduld. Ihr kleiner Geduldsvorrat war von dem soeben Geschehenen aufgebraucht worden. Das Licht der nackten Glühbirne an der De-cke flackerte und erlosch dann vollständig. Im Raum wurde es dunkel, und Audrey rief erbittert: »Verdammte Glühbirne!«
    Das Problem lag nicht bei der Glühbirne, sondern bei den elektrischen Leitungen. Eines schönen Tages würde hier alles in Flammen aufgehen, genau wie das Kloster, in dem Daniel beinahe gestorben wäre.
    Das Licht ging wiederholt an und aus, bis es schließlich an-blieb. So war es besser, sagte sich Audrey, die sah, dass Daniel sie mit einer gewissen Vorsicht musterte.
    »Tut mir leid, dass ich geschrien habe, Daniel. Ich habe heute einen schlechten Tag. Was hältst du davon, wenn wir es anders probieren?« Er nickte. »Gut. Ich schlage mir mit den Händen auf die Oberschenkel. Und ich möchte, dass du dasselbe tust, aber du nimmst immer die andere Hand. Verstehst du?«
    An Daniels Miene sah sie, dass er nichts begriffen hatte. Audrey seufzte erneut. Ob sie nun Geduld hatte oder nicht, sie würde sie irgendwie aufbringen müssen, sonst würde sie den alten Mann womöglich für immer verlieren.
    »Ich … verstehe das nicht«, bestätigte Daniel ihre Befürch-tung.
    Audrey schob den Tisch weg und drehte ihren Stuhl so, dass sie Daniel direkt gegenübersaß.
    »Keine Angst. Wir üben das zuerst. Ich klopfe mit der rechten Hand« – patsch – »und du klopfst … mit welcher Hand?«
    Statt zu antworten, schlug Daniel sich ebenfalls auf den Oberschenkel. Er tat es mit der richtigen Hand, mit der lin-ken, allerdings gab Audrey ihm eine kleine Hilfestellung, in-dem sie den Kopf schüttelte, als Daniel die rechte Hand neh-men wollte. Sie fuhr fort: »Jetzt klopfe ich mit der linken«-patsch – »und du mit der …«
    »Mit der … rechten?« Patsch.
    »Genau so! Jetzt noch mal von vorn. Rechts« – patsch – »links« – patsch – »rechts« – patsch …
    »Das macht … Spaß.«
    »Habe ich es dir nicht gesagt? Ein bisschen schneller … Sehr gut. Und jetzt wird es ein bisschen schwieriger. Jetzt musst du mir antworten, während du dir auf die Oberschenkel schlägst, einverstanden?«
    Patsch. Patsch. Patsch. Patsch.
    »Erzähl mir deinen letzten Alptraum.«
    Patsch. Patsch. Patsch. Patsch.
    Es dauerte eine ganze Minute, ehe Daniel antwortete.
    »Da war … ein … Berg. Ich wollte nicht … dahin, aber er … hat mich gezwungen. Ich habe … eine … Feder gefunden. Sie war sehr … groß und … weiß. Es war … Blut drauf.«
    »Erzähl mir von dem Berg, Daniel. Wie sah er aus?«
    Patsch. Patsch. Patsch. Patsch.
    »Daniel?«, hakte Audrey nach.
    »Da waren See-len. Unschuldige Seelen. Sie sind ins … Feuer geflogen.«
    »Was war in dem Feuer, Daniel? Wer war da?«
    Patsch. Patsch. Patsch. Patsch.
    Patsch. Patsch.
    Erneut flackerte das Licht der Glühbirne, dann hüllte sie wieder undurchdringliche Schwärze ein. Das Patschen verstummte.
    »Und es wurde Dunkelheit! Hast du Angst im Dunkeln, Audrey? … BUUUH!«
    Audrey nahm dicht vor ihrem Mund einen heißen Atem wahr. Sie erschrak und zuckte heftig zurück – beinahe wäre sie rücklings mit dem Stuhl umgefallen. Ganz kurz ging das Licht an und sofort wieder aus. In dieser Sekunde sah sie, dass Daniel sie fest ansah, ein boshaftes Lächeln um den Mund. Bloß dass das nicht Daniel war …
    »Du!«
    »Du bist sehr neugierig, Audrey. Du weißt doch, neugierige Katzen verbrennen sich die Tatzen.«
    Erneut wurde Audrey Zeugin dieser radikalen Verwandlung bei Daniel, die ihm ermöglichte, sich flüssig und viel zu eloquent für seine geistigen Fähigkeiten auszudrücken. Es war erschreckend. Zumal im Dunkeln. Audrey versuchte, sich zu fassen und den Impuls, den Raum fluchtartig zu

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