Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell

Titel: 65 - Der verlorene Sohn 06 - Das letzte Duell Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
und nach zur innigen Liebe steigerte. Freilich war sie nicht mehr ganz jung, er aber ja auch nicht. Und hübsch war sie doch, ja, er sagte sich zuweilen, daß sie wohl gar eine Schönheit genannt werden könne.
    Das Sonderbarste war, daß er mit ihr noch kein Wort über seine Wünsche gesprochen hatte. Er, der gewandte und erfahrene Geheimpolizist, der mit den höchsten Persönlichkeiten umzugehen verstand, fühlte diesem stillen Mädchen gegenüber eine Scheu, die kaum begreiflich war.
    Erst seit heute morgen hatte er sich diesen Vorwurf selbst gemacht, seit er mit Adolf gesprochen hatte.
    Emilie Werner, die schöne Tochter des abgesetzten Theaterdieners, war nämlich die Freundin von der Tochter des einstigen Amtswachtmeisters. Sie kam sehr häufig zu ihr, und da Anton auch seinen Kollegen Adolf mitbrachte, so lernte dieser letztere Emilie kennen und auch lieben. Mit ihm war es ebenso wie mit dem anderen. Auch er hatte noch kein Wort mit der Geliebten gesprochen. Jetzt nun sollte das so ganz plötzlich anders werden. Warum nicht auch bei Anton?
    Dieser fühlte sich aber doch einigermaßen beklemmt, als er Anna allein traf. Über ihr hübsches Gesicht zog eine leise Röte, wie allemal, wenn sie ihn erblickte. Sie gab ihm die Hand mit jenem zutraulichen Lächeln, welches man nur für gute Bekannte hat, und nötigte ihn, sich niederzusetzen.
    Es wurden einige gewöhnliche Redensarten gewechselt und dann hing sein Auge an ihren weißen Händen, welche mit einer Häkelarbeit beschäftigt waren.
    Welch ein Händchen! Sapperment! Wie müßte von ihr der Kaffee schmecken und das Butterbrot und die Wurst, der Schinken und die …
    „Spiegeleier!“ sagte er ganz laut.
    Spiegeleier waren nämlich eine Delikatesse für ihn. Er erschrak und errötete wie ein kleines Kind, als er seine eigene Stimme so laut hörte. Sie blickte rasch von ihrer Arbeit auf und sah ihn fragend an. Als er aber schwieg meinte sie:
    „Haben Sie Hunger?“
    „Nicht eigentlich, aber Appetit.“
    „Auf Spiegeleier?“
    „Eigentlich auf etwas ganz anderes.“
    „Bitte, sagen Sie es mir! Dann kann ich es Ihnen heute abend mit vorsetzen.“
    „Ah, das wäre aber herrlich!“
    „Es geschieht ja gern, wenn es überhaupt möglich ist.“
    „Möglich? Oh, sehr leicht.“
    Es war nichts anderes als ein Kuß, den er sich wünschte.
    „Also bitte, was ist es?“ fragte sie.
    „Hm!“ meinte er verlegen. „Das ist eigentlich gar nicht so leicht gesagt.“
    „Ist es etwas so sehr Kompliziertes?“
    „Sehr einfach im Gegenteil.“
    „Aber eine Delikatesse.“
    „Die größte, die es gibt.“
    „O weh! Dann ist es teuer!“
    „Gar nicht. Es kostet keinen Kreuzer!“
    „Da geben Sie mir freilich schwer zu raten auf.“
    „Und doch wäre es mir äußerst lieb, wenn Sie es errieten. Es zu sagen, wird mir zu schwer.“
    „Wollen sehen. Welche Farbe hat es?“
    „Kirschrot.“
    „Wo wächst es?“
    „Na, wie denn! Es wächst gar nicht.“
    „Es ist also keine Pflanze?“
    „Nein.“
    „Kein Getränk?“
    „Nein.“
    „Also wohl Fleisch?“
    „Fleisch ist es, ja. Und was für welches! Sapperlot!“
    Er schnalzte vor Vergnügen mit der Zunge.
    „Nun“, sagte sie lächelnd. „Da werde ich es ja wohl bald erraten. Ist es Fisch?“
    „Nein.“
    „Vogel?“
    „Auch nicht.“
    „Also Säugetier?“
    „Hm! Ah! Oh! Na! O weh! Ja, doch Säugetier!“
    „Rind?“
    „Beileibe nicht!“
    „Schöps? Kalb?“
    „Ganz und gar nicht.“
    „Pferd?“ lachte sie.
    „Fällt mir nicht ein.“
    „Wild?“
    „Nein, gar nicht! Im Gegenteile sehr zahm.“
    „Dann bin ich mit dem Raten zu Ende. Ich glaube, Sie werden auf Ihre Delikatesse verzichten müssen.“
    „Das ist unangenehm, sehr unangenehm!“
    „Ich habe ja den guten Willen, aber ich habe ja alles durchgeraten, ohne es zu finden. Menschenfresser werden Sie doch wohl nicht sein!“
    Da fiel er, von einem Ohr bis zum anderen lachend, schnell ein:
    „Das ist's! Gerade das und nichts anderes!“
    „Sie erschrecken mich!“
    „Ja, Menschenfleisch will ich haben, und zwar die kirschroteste Stelle, welche es gibt.“
    Jetzt begann sie zu ahnen, was er meinte. Sie errötete, aber diese Art und Weise, sein Verlangen nach einem Kuß auszudrücken, war doch so originell, daß sie in ein herzliches Lachen ausbrach.
    „Besser ist es, Sie verzichten“, sagte sie dann. „Man darf kein Kannibale sein.“
    „Andere sind es auch, aber leider habe ich einmal Pech. Wo ist der Herr Vater?“
    „Er ist

Weitere Kostenlose Bücher