Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

Titel: 66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
Vom Netzwerk:
Frage vor. Er hatte nicht die Erlaubnis erhalten, hier einzutreten; aber es war ihm auch nicht verboten worden. Und – sagte er sich, grad weil er König war, konnte es für den Fex von Nutzen sein, wenn jetzt die beiden wißbegierigen Augen in das Geheimnis blickten.
    Ludwig zog also die Krampe, den Haspen heraus. Die Lampe in der Hand, trat er ein.
    Er sah sich in einem Raum, welcher ebenso groß war wie der vordere, eine Seite war gemauert und die drei anderen aus Felsen bestehend. Die Decke wurde von starken Holzknüppeln gehalten, welche eng nebeneinanderlagen. Oben in der einen Ecke gab es ein Loch, welches wohl nach außen führte, der notwendigen Lüftung wegen. Vor demselben war der siebartige Schlauch einer alten Netzkanne angebracht, welcher der Luft den Zutritt gestattete, aber verhinderte, daß irgendein kleines Tier hindurch könne.
    Links befand sich ein Mooslager am Boden, aus langem, weichem, getrocknetem Wassermoos bestehend. Darauf erblickte der König eine Violine, einen Bogen und mehrere gedruckte Notenhefte. Diese Gegenstände hatte der Fex vorhin, bevor er Licht anbrannte, hier herausgeschafft. Also lag es doch nicht in seiner Absicht, daß der König diesen zweiten Raum betreten solle.
    Der König öffnete eins der Hefte. Es enthielt Violinstücke, welche nur ein außerordentlich guter Violinist spielen konnte. War der Fex ein solcher?
    In der Nähe des Lagers gab es eine alte Kiste, welche auch mittels eines Hängeschlosses verschlossen war. Auf derselben stand eine Flasche, welche Öl enthielt.
    Rechts von dem Bett, an der andern Wand, gab es einen kastenartigen Gegenstand, welcher mit einem alten Saloppentuch zugedeckt war. Darüber hing an der Wand ein roh geschnitztes Holzkreuz und ein Farbenbild, welches den Heiland mit der Dornenkrone vorstellte.
    Hatten diese Gegenstände Bezug auf den Namen ‚Kapelle‘, welchen der Fex diesem Raum gab?
    Der König stellte die Lampe auf die Kiste, um beide Hände frei zu haben, und zog das Tuch fort.
    „Mein Himmel!“ entfuhr es ihm.
    Er trat erschrocken zurück und war vor Schreck totenbleich geworden. Der Kasten, welchen er jetzt erblickte, war ohne Deckel und enthielt – eine weibliche Leiche!
    Diese Person konnte nur erst vor wenigen Stunden gestorben sein, so frisch sah sie aus und so gar keine Spur von Fäulnis zeigte sie.
    Es war eine Frau, welche wohl nicht über dreißig Jahre alt geworden war, aber doch älter erschien, denn ihre Züge zeigten den Typus der Zigeuner, deren Frauen ja bekanntlich sehr schnell altern. Sie hatte die braunen Hände unterhalb der Brust gefaltet, und ein seltener Reichtum schwarzen Haares floß ihr vom Scheitel über die Wangen herab bis fast auf die Füße, sie einhüllend wie in einen Mantel. Eingehüllt war die Gestalt in ein altes Bettuch, welches oft geflickt war und trotzdem noch viele Risse und Löcher zeigte.
    Da erklang es hinter dem König wie rauschendes und tropfendes Wasser.
    „Herrgott!“ rief eine Stimme draußen.
    Der König drehte sich um. Er sah den Kopf des Fex über dem Wasser, während der Leib noch in demselben steckte.
    „Komm herauf!“ gebot er ernst.
    Der Fex schwang sich herauf auf das Trockene. Seine Augen blitzten zornig. Er trat herbei und fragte:
    „Hier stehst? Hier herein bist gegangen? Das Schloß hast aufbrochen? Wer hat dir gesagt, daß du das tun sollst?“
    „Niemand. Ich hab es aus eigenem Antrieb getan.“
    „So! Hast etwa ein Recht dazu?“
    „Vielleicht sogar eine Pflicht!“
    „Eine Pflicht? Das denk ja nicht! Diese Stuben ist nur allein mein; sie gehört keinem andern. Sie ist meine Kirchen und Kapellen, in welcher ich bet, wann mir das Herz schwer worden ist.“
    „Und in diesem Heiligtum tötest du Menschen?“
    „Töten? Ich?“ fuhr der Fex auf.
    „Ja. Oder ist diese Frau vielleicht heut ertrunken und hast du sie hier hereingeschafft?“
    „Heut?“
    „Natürlich! Sie kann doch erst heut gestorben sein!“
    „So fühl doch mal ihr Gesicht an!“
    Der König tat es. Das Gesicht war kalt und hart wie Stein. Ihn schauderte.
    „Klopf nur mal drauf, oder auf die Hand!“
    Auch das tat der König. Es gab einen Ton, als wenn man auf einen Stein klopft.
    „Sie ist versteinert!“ sagte er überrascht.
    „Ja. Es ist lange Zeit her, daß sie gestorben ist.“
    „Und wie und warum hast du sie hier hereingeschafft?“
    „Das werd ich dir sagen; aber du mußt mir versprechen, es nimmer zu verraten.“
    „Dieses Versprechen kann ich nicht

Weitere Kostenlose Bücher