66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab
geben.“
„Warum nicht?“
„Es kann sich hier um ein Verbrechen gehandelt haben, oder überhaupt ist es geboten, daß eine Leiche in geweihter Erde begraben werde.“
„So! Warum haben s' dann dieser die geweihte Erden versagt?“
„Man hat sie ihr versagt?“
„Ja, weil sie eine Heidin gewesen ist, eine Zigeunerin. Darum ist sie eingescharrt worden da, wo sie verhungert und verfroren ist. Da oben ist ihr Grab gewesen, grad über uns. Das hat sich gesenkt, tiefer und immer tiefer, denn unter dem Grab ist der Felsen hohl gewest, und endlich ist die Leich abistürzt hier herin, wo sie jetzund liegt.“
„Und das hat man nicht bemerkt?“
„Nein. Erst ist gar kein Mensch heraufkommen an den verfluchten Ort. Nachher, als doch zuweilen eine mitleidige Seelen heraufstiegen ist, um ein Ave Maria zu beten, ist das schier auch nur ganz selten gewest. Ich aber bin alle Tagen am Grab gesessen, wann ich nicht hab überfahren müssen. Als ich gemerkt hab, daß die Leichen hier einibrochen ist, bin ich nachklettert und hab entdeckt, daß hier herunten der Stein hohl ist und daß man vom Fluß hereingelangen kann. Nachher hab ich gleich in der Nacht das Grab so vorgericht, daß man nix sehen konnt, daß es einibrochen war. Und später hab ich hier herinnen die Stuben gebaut und alles so gemacht, wie es jetzunder ist.“
„Sonderbar! Welches Interesse hast du denn an dieser Leiche?“
„Welches? Diese Fragen ist freilich besonderbar. Sie ist doch meine Muttern.“
„Wie? Diese Zigeunerin ist deine Mutter?“
„Ja.“
„Das ist vollständig unmöglich. Du kannst nicht der Sohn der Zigeunerin sein.“
„Meinst nicht? Warum?“
„Du bist blond und hast den kaukasischen Typus.“
Über das hübsche Gesicht des Fex glitt ein verschmitztes Lächeln, doch machte er sofort wieder sein gewöhnliches dummes Gesicht und antwortete:
„Was du da sagst, versteh ich nicht. Ich weiß gewiß, daß sie meine Mutter ist. Und ich muß es doch besser wissen als du, wannst auch der König bist.“
Ludwig fragte ihn nach seiner Vergangenheit und erhielt die Auskunft, welche der Fex für nötig hielt. Dieser sagte dem König keineswegs alles, was er ihm hätte mitteilen können, und schloß daran die Frage:
„Und nun, nicht wahr, die Mutter darf hier liegenbleiben?“
„Darüber will ich jetzt noch nicht entscheiden. Ich will es mir überlegen, ob es nicht gegen Gesetz und Gewissen ist, die Mutter hier in der Höhle zu lassen.“
„Überlegen willst? Aber bis dahin wirst's etwa keinem sagen?“
„Nein; ich werde schweigen.“
„So will ich mich in Ruh darein ergeben.“
„Hast du denn hier geschlafen?“
„Ja.“
„Neben der Leiche?“
„Warum nicht? Meinst, daß ich mich vor der Muttern fürchten sollt? Nein, das tu ich nicht. Wann ich mich niederlegt hab und wann ich aufstanden bin, so hab ich vor ihr gebetet, und der Herrgott wird mir die Lieb antun, ihr zu vergeben, daß sie eine Zigeunerin gewesen ist.“
Der König war tief gerührt.
„Du bist ein braver Bub!“ sagte er. „Ganz abgesehen davon, daß ich dir heut mein Leben verdanke, fühle ich für dich eine solche Teilnahme, daß ich versuchen will, deinem Schicksal eine Änderung zum Bessern zu geben. Darf ich?“
Der Fex blickte sinnend vor sich hin. Es dauerte eine Weile, ehe er antwortete.
„Weißt, ich mach's wie du; ich muß es mir vorerst überlegen.“
„Erst überlegen?“ fragte Ludwig erstaunt.
„Ja.“
„Das begreife ich nicht!“
„Wirst's aber bald begreifen, wann ich's dir sag. Weißt, ich hab den Fluß liebgewonnen und die Mühlen und diese Kapellen hier und den Wald und alles, wo ich bin und was ich kann. Ich möcht schon gar nimmer fort von hier sondern immer und immer hier bleiben.“
„Nun, das kannst du ja.“
„Meinst? Das wär schön.“
„Ja. Deine Lage kann ja eine bessere werden, ohne daß du dadurch gezwungen wirst, den Ort zu verlassen, der dir eine zweite Heimat geworden ist. Ich werde darüber nachdenken. Aber ich kann noch nicht begreifen, wie du hier schlafen kannst. Du bist doch völlig naß, wenn du hier aus dem Wasser steigst!“
„Da zieh ich halt mich aus. Und da in der Kisten hab ich ein Tuch, in welches ich mich einwickle.“
„So, so! Und wem gehört diese Violine?“
„Mir.“
„Kannst du spielen?“
„So ein wenig darauf herumpatschen kann ich schon. Wann ich nur erst die Noten könnt und die Tonleiter dazu! So weit aber werd ich's all mein Lebtag nicht bringen.“
„Du
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