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66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

Titel: 66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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die Hand erschrocken empor und brach in den alten Stoßvers aus:
    „O Herr behüt mich hier auf Erden,
Daß ich nicht mög ein Spitzbub werden!“
    „Willst etwa bei mir einbrechen?“ lachte sie.
    „Nein, bei keinem, und bei dir nun erst recht gar nicht. Aber, schau, das sind doch fast achthundert Markerln. Wo hast die denn eigentlich her?“
    „Ach so! Jetzt denkst, ich habe irgendwo eingebrochen!“
    „Nein, aber ich kann's nicht begreifen, daß du so ein Geldl hast. Eine arme Sennerin und so ein Vermögen! Sag's schnell, damit ich ruhig werd!“
    „Vom König hab ich's.“
    „Ah! Vom König!“
    „Ja. Er zahlt alles und gibt mir noch extra auch ein Nadelgeld, wovon ich mir dieses hier gespart hab.“
    „Ein Nadelgeldl?“ fragte er erstaunt. „Und davon hast das hier zurückgelegt?“
    „Ja.“
    „Himmelsakra! Das mag auch begreifen, wer's begreift! Von dem Geldl, was du brauchst für Steck-, Näh- und Haarnaderln hast das gespart?“
    „So wörtlich ist's nicht gemeint. Schau, Nadelgeld heißt das, was eine Dame monatlich für alles erhält, was sie braucht, was sie sich selber kaufen muß.“
    Er sah sie groß an, zog die Brauen empor, nickte ihr langsam und verständnisinnig zu und sagte:
    „Eine Dame! Ah, Schlipperment! Eine Dame bist also! Nun, das ist wohl auch richtig. Und wieviel gibt dir der König im Monat, he?“
    „Ich bekomme am Tag fünf Mark, im Monat also hundertfünfzig Mark. Hundert spar ich davon, und weil ich nun bereits vom September bis Mai in der Gesangslehr bin, also acht Monate, so sind's auch grad achthundert Markerln.“
    „Und die sind auch dein?“
    „Natürlich!“
    „Du brauchst nix zurückzugeben, was du nicht brauchst?“
    „Wo denkst hin! Wird der König etwas wieder zurücknehmen. Er hat den Betrag aus seiner Privatschatullen angewiesen, und da wird's nun ausgezahlt, ob ich's brauch oder nicht.“
    „O heiliger Baldrian! So eine Privatschatullen, wann ich auch hätt! Ich fräß den ganzen geschlagenen Tag von früh bis abend saure Kartoffeln mit Speckgriefen dran! Was bist nun da plötzlich für ein reiches Dirndl worden, Leni! O Himmeljerum! Du brauchst nur die zehn Fingern hinauszuhalten, wann du einen Mann haben willst, nachher klebt an jedem Fingerl ein ganzes Batallgon. So eine Unsummen von Reichtum! Aber schau, das freut mich sehr, daß du so gespart hast. Konntst's ja auch verwichsen wie andere, und es hätt kein Hahn danach gekräht. Aber so ist nun die Leni!“
    „Soll ich's etwa zum Fenstern 'nauswerfen? Ich erhalt ja alles, was ich brauch, Wohnung und Kost, Lehrgeld und Kleidung, und was für Kleidung. Hör, Sepp wann du mich im neuen Konzertkleid siehst, so geht dir der Verstand flöten!“
    „Du, da schau ich dich lieber gar nimmer an!“
    „So willst mich also nicht anhören?“
    „Ich möcht wohl. Darf ich?“
    „Du sollst sogar. Wann ich zum ersten Mal als Sängerin auftret, so mußt unbedingt dabei sein. Ich geb dir ein gut's Freibilleterl.“
    „Auch noch ein guts?“
    „Ja. Mein Pat, der soll mit vorn sitzen bei denen vornehmen Herrschaften. Verstehst?“
    „Verteuxi!“
    „Oder fürchtest dich etwa?“
    „Ich? Vor wem? Nun grad setz ich mich erst recht voran, denen Herrngeschaften vor die Nasen.“
    „Muß dich aber fein sauber machen!“
    Er kratzte sich hinter den Ohren und meinte:
    „Ja, das möcht ich wohl gern, aber – aber – – hm!“
    „Was meinst?“
    „Ich versteh nix davon.“
    „Vom sauber machen?“
    „Ja eben. Schau, waschen tu ich mich wohl alle Tagen mehrmals und kämmen auch; damit ist's bei mir genug. Das weiteren kenn ich nicht. Wann ich mich so herrichten soll, wie die hiesigen Stutzern, so wird mir gleich himmelangst. Ich weiß ja gar nimmermehr, was sie alls tun, um schön hübsch zu sein. Ich hab's wohl mal gehört aber auch wiederum vergessen. Ich hab vernommen, daß sie sich Mehl ins Gesichten blasen, um recht schön weiß zu sehen und Bartstiefelwichsen in den Schnurrbrich. Für die Fingernagerl habens ganz besonderen Bürsten und auch ein feins Scherle zum Abschneiden, wo ich sie mir gleich so bloß abbeißen tu. Nachher kämmen's sich einen Strich über den Kopf bis hinten zum Genick herunter, daß der Kopf gleich nur zwei Hälften hat, rechts herübern und links hinübern; ein Glas sperren s' sich ins Auge, und einen Stecken nehmen s' in die Hand, der nicht mal bis zur Erden herunterreicht. Die Hosen müssen ganz eng sein, daß man die Wadeln gut erkennen kann, weil s' zu klein sind, und

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