66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab
faßte sie mit beiden Händen an der Taille, hob sie hoch empor und schrie:
„Hol – de – ro – dri – oh! Juch, juch! Dirndl, du hast mir's angetan! Der Teuxel soll das vornehme Gelimper und Gelamper holen!“
„Hast recht, Sepp, hast recht! Also ich hab mein Gewandl anzogen und bin eschappiert. Vorher aber hab ich einen Brief geschrieben, daß –“
„Was? Was sagst? Briefschreiben kannst auch schon?“
„Na, was ich alles gelernt hab, das glaubst gar nimmer. Also ich hab der Madamen Qualèche geschrieben, daß ich allbereits fort bin; ich werd einen Umweg machen und erst morgen am Vormittag hier ankommen.“
„Sapristi! Bist du ein durchtrieben Geschöpferl!“
„Ja, so muß man's anfangen, wann man mal wiederum ein richtig und munter Menschenkind sein will. Aber freilich bin ich schon früher kommen und nicht erst morgen. Nun möcht ich wissen, was die Frau Direktor für ein Gesichterl gemacht hat, als sie den Schreibebrief lesen tat. Das muß gespaßig gewest sein!“
„Und was für Gesichter der Konzertmeistern und der hiesige Kapellmeistern machen wird, wann sie hören, daß du nicht mit dabei bist, das möcht ich auch schaun. Aber nun sag doch mal, Leni, wann du so allein gefahren bist, wo hast nachher das Geldl dazu hergenommen?“
„Meinst, ich hab keins?“
„Nun, woher sollst's genommen haben?“
„Sepp, soll ich dir meine Kassen zeigen?“
„Ja, zeig's doch mal. Da drin wird's wohl auch traurig ausschaun, denn Sennerin bist nun nimmermehr, und ein Dienstlohn bekommst also nicht. Aber hab nur keine Sorgen und Ängsten. Solang der Sepp da ist, da soll dir geholfen sein. Was du brauchst, das hab ich halt schon.“
„Meinst von dem meinigen, was du mir in München aufgehoben hast?“
„Was du dem Krickel-Anton seine Eltern geben wolltst? Nein, das wird nicht angerührt. Wann du ein Geldl brauchst, so geb ich dir's von den meinigen Ersparnissen. Ich hab mir schon denkt, daß du kein solch Konzerten hier singen und so eine Reisen machen kannst ohne Geld. Und hier brauchst doch auch etwas. Nicht?“
„Das wird schon wahr sein.“
„Nun, so will ich dir's geben.“
„Wie? Das willst wirklich tun? Geld willst mir geben?“
„Ja freilich!“
Um ihre Lippen spielte es stillvergnügt.
„Nun, wieviel nur?“
Er zog sein kleines, schmutziges, armseliges Lederbeutelchen hervor und öffnete es. Er nahm ein Papierchen heraus, reichte es ihr hin und antwortete:
„So viel, Leni. Weit wird's wohl nimmer reichen; aber besser ist's doch immer als gar nix.“
Sie nahm es und öffnete es. Es war ein zusammengelegter Fünfzigmarkschein. In ihren Augen glänzte es feucht, und ihre Lippen zuckten verräterisch.
„Das willst mir geben, Sepp, das?“
„Ja.“
„Soviel!“
„Leni, für eine Sängerin ist's so wenig; das kann ich mir gar wohl denken.“
„Aber wie lang hast drüber gespart?“
„Das geht dich gar nix an!“
„Oh, das geht mich schon was an! Das geht mich sogar sehr viel an. Mein armer, alter Paten, der nur trocken Brot ißt und am Tag kaum über eine Mark verdient, wann der mir gleich auf einmal fünfzig Mark schenken will, so kann ich schon danach fragen, ob's ihm auch keinen Schaden bringt!“
„Da brauchst keine Angst zu haben. Ich sterb schon nicht daran!“
„Nein, gleich nicht. Aber wannst in deinen alten Tagen dir nicht auch mal eine Güten tun kannst, so verkürzt du dein Leben. Verstanden! Ich nehm das Geldl nicht.“
„Leni!“ rief er halb bittend und halb grollend.
„Sepp! Hältst mich für hartherzig?“
„Nein, eben nicht!“
„So behalt dein Geld!“
„Nein, du nimmst's!“
„Soll mich Gott behüten! Ich brauch's auch nicht. Ich wollt nur mal sehen, wieviel du mir geben tätst.“
„Du brauchst's schon notwendig!“
„Nein, ich hab Geld.“
„Kannst's beweisen?“
„Ja.“
„Na, so mach den Beutel auf!“
„Gut, schön! Sollst's gleich sehen.“
Sie drückte ihm den Kassenschein wieder in die Hand, zog ein Portemonnaie heraus, öffnete dasselbe und hielt es ihm hin.
„Nun, so schau!“
Er warf einen langen, erstaunten Blick hinein, trat dann zurück und sagte:
„Jesses, Marie und Joseph! Hast du aber ein Geldl!“
„Nicht wahr?“
„Lauter Gold!“
„Na, also!“
„Lauter Zehn- und Zwanzigmarkerln!“
„Nur? Oh, ich hab auch noch mehr. Schau hier nach!“
Sie öffnete noch ein verschlossenes Fach und zog mehrere Hundertmarkscheine hervor.
„So! Hier sind noch fünfhundert Mark.“
Da hob er
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