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66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

Titel: 66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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bist arm; aber es gäb viele, viele Dirndln, welche sich freuen täten, wenn sie dich haben könnten. Aber du gehst auf dunklen Wegen, und überall ist die Polizei hinter dir. Dein Dirndl befänd sich stets in der Gefahr, auch mit auf das Amt zu müssen. Und wenn du sie nähmst, was sollte werden? Eines Tages brächten sie dich getragen von oben herab, aus den Bergen, wo die Kugel des Jägers deinem Treiben ein End gemacht hat. Ist's so oder nicht?“
    Er hatte sich auf den Schemel gesetzt und den Kopf in die Hände gestemmt. Jetzt fragte er, aber ohne zu ihr aufzublicken:
    „Habe ich nicht vorhin gesagt, daß dieses Leben mir leid tut und daß ich es ändern möcht?“
    „Das hast freilich gesagt, aber nun ändre es auch!“
    „Wie denn?“
    „Hast nicht die Mittel in der Hand?“
    „Meinst die dreihundert Mark?“
    „Ja. Kannst nichts damit anfangen, he?“
    „Oh, wohl gar! Einen kleinen Handel, irgendein Kleingeschäft.“
    „So tu's!“
    „Wie du das so sagen kannst. Bin ich nicht wie das Wild, welches getrieben wird? Muß ich nicht flüchten und immer wieder flüchten, weil man mich fangen will?“
    „Doch nur hier in Bayern?“
    „Ja. Ich bin halt so klug gewesen, nur hier diesseits der Grenz auf die Jagd zu gehen.“
    „So komm nicht wieder herüber!“
    „Man holt mich doch. Das Österreich muß mich ausliefern, weil ein Wilderer kein politischer Verbrecher ist.“
    „So bist freilich daran wie der Gamsbock, der weder Ruh noch Frieden hat. Aber einmal muß es doch anders werden!“
    „Ja, wann sie mich ergriffen haben und einistecken.“
    „Dann kommst aber doch wieder heraus?“
    „Ja, aber wann! Und das möcht gern noch sein. Aber wer da drin gesteckt hat, den sieht kein Mensch wieder an und alle Leuteln zeigen mit den Fingern nach ihm.“
    „Das kann nur ein Schändlicher tun!“
    „Würdst etwa du mich anschaun?“
    Er erhob jetzt zum ersten Mal wieder den Kopf. Sein Auge war mit einem geradezu angstvollen Blick auf ihr Gesicht gerichtet. Sie errötete, aber doch antwortete sie fest und mutig:
    „Noch lieber als jetzt.“
    Da fuhr er schnell von dem Schemel empor.
    „Was sagst? Ist's wahr?“
    „Hat die Leni schon einmal gelogen?“
    „Nein. Also du würdst mich nicht verachten?“
    „Das könnt mir gar nie in den Sinn kommen.“
    „So möcht ich gleich jetzt auf das Amt gehen und mich freiwillig stellen!“
    „Tu es, Anton, tu es! Es ist das beste für dich.“
    „Das geb ich halt zu. Ich hab selbst schon alleweil daran gedacht. Und wann ich freiwillig komm, so geben sie mir wohl eine gelindere Strafe als sonst. Aber meine Eltern – die lieben, lieben Leutln!“
    „Denen wird Gott indessen beistehn.“
    „Meinst, daß er vom Himmel steigt?“
    „Nein, das hat er in unserer Zeit nicht mehr nötig. Wir sind halt Christen und müssen an seiner Stell handeln. Wann du deine Pflicht tust, so will ich gern zuweilen hinüberschaun nach dem Vater und der Mutter. Ich hab nur drei Stunden zu laufen, und wann der Winter kommt, so zieh ich von der Alm, und es gibt fast nichts mehr zu tun. Da kann ich aller vierzehn Tag hinübergehn.“
    Er streckte seine Arme aus, um ihre Hände zu ergreifen, zog sie aber wieder zurück. Er wendete sich um, lehnte den Kopf an die Wand und sagte nichts. Sie wartete eine Weile. Sie sah, daß seine Brust arbeitete. Da trat sie zu ihm, legte ihm die Hand auf die Schulter und fragte:
    „Was ist, Anton? Warum sagst nix mehr?“
    Sie beugte sich vor, um ihm in das Gesicht zu sehen. Er hatte die Lippen fest zusammengepreßt, und Tränen standen ihm in den Augen.
    „Herrgott! Du weinst!“ sagte sie.
    „Muß ich nicht?“
    „Meinswegen wohl? Hab ich dir weh getan?“
    „So weh und auch wiederum so wohl, Leni! Ist das wahr, daß du zu den Eltern gehen würdst, um sie zu beruhigen und zu trösten?“
    „Ja, ich würde gehen.“
    „Aber warum, warum?“
    Er drehte sich ihr wieder zu und hielt das nasse Auge auf sie gerichtet. Jetzt wurde sie verlegen.
    „Weil – weil – weil es doch Christenpflicht ist.“
    „Christenpflicht? Ja. Aber wie kommst grad du dazu, diese Pflicht an uns zu üben?“
    „Weil – ich – weil ich es gern tu.“
    Da leuchteten seine Augen triumphierend auf. Er erfaßte ihre beiden Hände und fragte:
    „Und weil du mich gern hast?“
    Tiefe Glut bedeckte ihr Gesicht.
    „Dich gern? Wo denkst hin, Bub? Mußt nicht gleich meinen, daß du nun Kaiser bist!“
    „Kaiser? Oh, der mag ich halt gar nicht sein. Der hat eine Frau,

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