66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab
dann – was tue ich dann? Rate mir's doch, Leni?“
„Weißt's nicht selbst?“
„Ich weiß es; aber ich darf's nicht sagen.“
„Sag's in Gottes Namen!“
„Gut. Ich werd dich dann fragen, ob du mich gern hast. Darf ich das fragen?“
„Du darfst.“
„Und was wirst antworten?“
Seine Stimme hatte gar nicht den gewöhnlichen Ton. Es war jener unnachahmliche Klang, der nur dann zu hören ist, wenn zwei Herzen zum ersten Mal miteinander sprechen.
„Mußt das jetzt bereits wissen?“ fragte sie.
„Ja. Es wird mir ein Trost und eine Zuversicht sein in der Gefangenschaft.“
„So kannst fröhlich sein. Ich werd warten, bis du wiederkehrst, denn ich hab dich gern.“
„Ist's wahr, Leni, ist's wahr?“
„Ja.“
„Dies Wort mag dir Gott vergelten. Es macht aus mir einen Mann, vor dem die Leut Respekt haben sollen. Jetzt brech ich auf und trag den Eltern die dreihundert Mark hinüber. Da haben sie zu leben, bis ich Wiederkehr. Dann will ich arbeiten, daß mir die Haut von den Händen geht, gradso, wie sie jetzt ausschaun.“
„Das hast nicht nötig, Anton.“
„O doch. Das Geld ist dann ja alle, und ich muß ganz von vorn anfangen.“
Er hielt noch immer ihren Kopf an seine Brust. Jetzt erhob sie das Gesichtchen zu ihm empor und sagte mit dem Ausdrucke des Glückes zu ihm.
„Ja, dein Geld ist dann alle, aber dann hab ich ja welches!“
„Du?“ fragte er erstaunt.
„Ja. Weißt, was mein Vater gewesen ist?“
„Nein.“
„Er war Botenmann, vom Dorf zur Stadt so hin und wieder her, weißt?“
„Ich weiß schon. Aber Botenleut sind arme Leut.“
„Aber mein Vater ist sehr sparsam gewesen. Die Mutter ist gestorben, als sie mich zum ersten Mal im Arme gehalten hat, und da hat der Vaterl ihr versprochen, recht brav für mich zu sorgen. Das hat er halt getan. Er hat sich das Brot am Mund abgebrochen, um mir eine Milch und Semmel zu geben und einen Kreuzer in die Sparbüchse zu tun.“
„Das ist brav!“
„So ist Kreuzer auf Kreuzer gewachsen, ganz so lustig, wie auch ich gewachsen bin; aber Vater hat sich zu sehr angegriffen gehabt, und plötzlich ist er tot gewesen. Der Doktor hat ihn untersucht und die Krankheit gesagt, an der er gestorben ist.“
„Wie lautet sie?“
„Famelikus.“
„Das verstehe ich halt nicht.“
„Es ist ein lateinisches Gelehrtenwort, weißt, wie die Ärzte alle sprechen, nur der Dorfbader nicht. Mein Pate hat das Wort vom Doktor gehört und es sich gemerkt. Dann hat er es mir einmal gesagt. Später ist einmal ein fremder Herr zu mir auf die Alm gekommen mit einer blauen Brillen auf der Nasen. Er hat Kräuter gesucht und Steine zerschlagen und einer jeden Sach einen fremden Namen gegeben. Den habe ich gefragt, was für eine Krankheit dieses Famelikus ist.“
„Und was hat er gesagt?“
„Ein Famelikus ist ein Verhungerter.“
„Herrgottle!“
„Ja. Der Vater hat nicht genug gegessen, und darum ist er gestorben, weißt, nicht an so einem plötzlichen Hunger, wann man eine Woche lang nichts ißt, sondern an einem langen Hunger, wann man alle Tagen nicht genug ißt und dabei immer matter wird. Das hat er meinetwegen getan, der Kreuzer wegen, die er in die Sparbüchse für mich legte.“
„Der Herrgott wird's ihm im Himmel gedenken!“
„Das bete ich täglich! Vor seinem Tod hat er den Paten kommen lassen, den Wurzelsepp, und ihm die Ersparung für mich anvertraut. Der Sepp hat das Geld nach München getragen, wo es eine Sparkasse auf Zinsen gibt, und jetzt nun sind an die vierhundert Gulden beisammen.“
„Heilige Marie!“
„Und weil man jetzt nicht mehr Gulden sagt, sondern Mark, so sind es an die tausend Mark.“
„O je, Dirndl, was bist reich geworden!“
„Meinst?“
„Ja. Das ist ja ein Geldl, daß einem der Verstand stillstehen möcht!“
Sie sah ihn glücklich lächelnd an, nickte ihm höchst befriedigt zu und sagte:
„Schau, das ist nachher dein!“
„Mein?“
„Ja.“
„Dann machst wohl Spaß?“
„Gar nicht! Wann ich deine Frau bin, so ist doch mein Geld das deinige, oder nicht?“
„Am Ende gar! Ich kann's aber doch nicht fassen!“
„Oh, fassen wollen wir es schon. Ich lauf hinein nach München und hol es gleich da in der Schürzen heraus!“
„Das wirst nicht tun; da könnt's hüben und drüben herausfallen. Es wird sich wohl so eine Tasch finden lassen, in die wir es stecken können. Herrgottsakra! Wann's doch gleich so weit wäre!“
„Es kommt schon so weit!“
„Ja, und nachher werd ich
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