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66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

Titel: 66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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sich eine kurze Zeit lang bückte. Dann setzte er den Fuß auf den Grat. Er hatte nicht einmal den Bergstock bei sich.
    „Himmel! Er will wirklich drüber!“ rief einer der Gehilfen.
    „Jetzt, bei Nacht!“ fügte schaudernd ein anderer hinzu.
    „Es ist am hellen Tage unmöglich.“
    „Nun, ganz, wie er will!“ sagte der Oberförster entschlossen. „Er rennt auf alle Fälle in sein Verderben.“
    Er schritt weiter vor, nach dem Abgrund zu. Die Gehilfen aber blieben bei der Hütte stehen, da wo Leni kniete.
    Da trat der König aus der Sennhütte. Er hatte das Geschrei vernommen und war aufgestanden.
    „Was geht hier vor?“ fragte er.
    Einer der Gehilfen wendete sich zu ihm und erklärte in ehrerbietigem Ton:
    „Der Krickel-Anton, Majestät, ist hier.“
    „Ich weiß es. Wo?“
    „Da drüben läuft er.“
    Ludwig richtete den Blick nach der Seite, welche der Mann mit dem ausgestreckten Arm bezeichnete. Dort sah man beim hellen Schein des Mondes den Wilderer langsam über den Grat schreiten, so wie ein Akrobat über das hohe Turmseil geht, rechts und links gähnende Abgründe unter sich.
    „Himmel!“ rief der König, aufs tiefste erschrocken. „Das ist ja ein unmenschliches Wagnis! Warum tut er es?“
    „Er will entfliehen.“
    „Vor wem?“
    „Vor uns. Der Herr Oberförster hat ihn erwischt.“
    „Was will der schon hier. Wie kann man ohne meine Erlaubnis – ah! Anton, Anton, komm zurück, zurück!“
    Er hatte die Hand an den Mund gelegt, damit der Ruf zu dem Genannten dringen solle.
    „Majestät, der kann nicht zurück“, sagte der Gehilfe. „Sobald er sich umdrehen wollte, würde er in die Tiefe stürzen.“
    „Anton, halt!“ hörte man jetzt den Förster rufen, welcher in einer Entfernung von vielleicht sechzig Schritten weiter vorn am Abgrunde stand.
    Der Gerufene kümmerte sich nicht darum; er schritt weiter.
    „Halt, sage ich!“
    Und als der Fliehende auch jetzt noch nicht gehorchte, erklang es wieder:
    „Zum Teufel, halt, Kerl!“
    Auch das half nichts. Da sah man, daß der Oberförster das Gewehr anlegte. Nur der König bemerkte es nicht, da sein Auge an der Gestalt des kühnen Bergsteigers hing. Eben näherte sich ein Wölkchen dem Mond.
    „Gott, er will schießen“, bemerkte der Gehilfe.
    Jetzt erst wurde Ludwig auf das Gewehr seines Beamten aufmerksam.
    „Halt!“ gebot er laut. „Nicht schie –“
    Es war zu spät. Mit der letzten Silbe, welche der König aussprach, krachte der Schuß, dröhnende Echos erweckend. Man sah Anton wanken, gar taumeln, dann langsam zusammenbrechen – das Wölkchen trat vor den Mond; es glitt rasch vorüber – Anton war verschwunden; man hörte seinen stürzenden Körper von Zacke zu Zacke aufschlagend, in die schauerliche Tiefe fallen.
    Drüben von jenseits erklangen auch einige Schüsse und laute Rufe erschallten herüber. Jedenfalls waren die Rufenden Beamte, welche dort postiert waren des Krickel-Antons wegen.
    Sprachlos standen alle, von Grauen und Entsetzen gepackt. Nur der Oberförster wendete sich um, kam langsam näher und sagte:
    „Er hat es nicht anders gewollt. Nun schießt er uns keine Gemse mehr.“
    Da erscholl ein Schrei, so schrill, so entsetzlich, als müsse sich alles Fürchterliche des Menschenlebens in diesem einen Laut Luft machen. Leni war es. Sie hatte sich, als der Schuß fiel, emporgeschnellt und starrte nach der Gegend hin, wo der Geliebte verschwunden war.
    „Wo ist er, wo?“ rief sie aus.
    „Da hinab“, antwortete der Förster.
    „Erschossen? Von dir?“
    „Er hat es gewollt.“
    „So gehe ich zu ihm.“
    Sie eilte fort, dem Abgrund zu.
    „Um Gottes willen, haltet sie!“ gebot der König.
    Die Gehilfen sprangen ihr nach. Es gelang ihnen sie zu erreichen und festzuhalten. Eine kurze Weile wehrte sie sich, dann ergab sie sich, in scheinbarer Ruhe sagend:
    „Ihr habt recht. Es muß nicht gleich sein; es kann zu jeder Zeit geschehen.“
    Sie ließ sich willig in die Hütte führen. Dorthin rief der König auch den Oberförster. Die Stimme des Monarchen war trotz der zugemachten Tür in lautem, zornigem Ton zu hören. Es wurde wohl über eine Viertelstunde verhandelt, dann trat der Beamte heraus. Er schwitzte vor Verlegenheit und Scham.
    „Kreuzhimmeldonnerwetter!“ fluchte er. „Wer hätte das denken können. Dieser Krickel-Anton hat der Majestät das Leben gerettet, und ich habe ihn erschossen. Der König hat ihm alles vergeben und ihn sodann anstellen wollen, und da komme ich und schieße ihn weg.

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