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66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

Titel: 66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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zur rechten Zeit an, um erst um dieselbe zu blicken. Er sah da zwei Gestalten stehen, eine männliche und eine weibliche, die er sofort als die Mondsüchtige erkannte.
    Dahin konnte er also nicht. Wohin aber denn?
    Die hintere Seite des Häuschens war an den Berg gebaut; er konnte also hinten nicht vorüber. Er erhob den Blick. Das Giebelfensterchen oben war erleuchtet. Unten im Erdgeschoß gab es auf dieser Giebelseite zwei Fenster, deren eins mit einem Laden verschlossen war; das andere stand offen, und es brannte da kein Licht.
    Schnell stieg er hinein, die Schuh natürlich fest in der Hand haltend. Gegenüber dem Fenster mußte die Tür liegen. Er ging auf dieselbe zu. Sie war nur angelehnt. Draußen im engen Flur stand eine Lampe. Jedenfalls hatten die beiden vor dem Haus stehenden Personen sich hier in der Stube befunden, hatten die Schüsse und Rufe vernommen und waren hinausgeeilt, die Lampe mit sich nehmend und im Hausflur niedersetzend.
    Hier unten durfte er nicht bleiben. Vielleicht gab es oben ein Versteck. Eine schmale Stiege führte empor. Er bemerkte, daß die Haustür so wenig offen stand, daß er von den beiden draußen Stehenden nicht gesehen werden konnte, trat schnell in den Flur hinaus und stieg eiligst die Stiege hinauf. Oben war es dunkel. Er tappte mit den Händen umher; der Platz war sehr eng, rechts und links eine Tür, vor und hinter sich das Dach.
    Die Tür zur rechten Hand war verschlossen, die zur linken nicht. Aber er wußte ja, daß hinter der letzteren eine Lampe brannte. Sollte er da hinein? War jemand drin?
    Während er überlegte, hörte er unten Stimmen und die deutlichen Worte:
    „Ist er hier vorüber?“
    „Nein.“
    „So muß er ins Haus herein sein.“
    „Unmöglich!“ meinte eine andere Stimme, nämlich diejenige des Mannes, welcher mit der Nachtwandlerin vor dem Hause gestanden hatte.
    „Wissen Sie das genau, gnädiger Herr?“
    „Ja. Sobald der Schuß erschallte, bin ich mit meiner Cousine hier vor die Tür gegangen und habe bis jetzt den Platz nicht verlassen. Ich hätte es also sehen müssen, wenn eine Person eingetreten wäre. Übrigens würde ich einem Flüchtigen jedenfalls den Eingang energisch verwehrt haben.“
    „Einen zweiten Eingang gibt es nicht?“
    „Nein.“
    „Aber am Giebel steht das Fenster offen. Er könnte ohne Ihr Wissen da eingestiegen sein. Ich muß Ihnen leider beschwerlich fallen und Sie höflichst ersuchen, nachschauen zu dürfen.“
    „Tun Sie es!“
    Wie gut war es, daß Anton nicht in der Unterstube geblieben war. Es gab jetzt keine Wahl mehr, er mußte in die erleuchtete Oberstube treten.
    Leise klinkte er die Tür auf. Es bot sich ihm ein überraschender Anblick dar. In dem kleinen, niedrigen Räume befand sich ein weiß überzogenes Bett, ein länglicher Tisch, zwei Stühle, ein Spiegel, eine Kommode und ein kleiner Hundeofen. Auf dem Tisch brannte die Lampe. Das wäre nun nichts Merkwürdiges gewesen; aber am Fenster stand, das Gesicht nach der Tür gerichtet, eine Dame im Alter von vielleicht achtundzwanzig bis dreißig Jahren. Man hätte ihr Kleid für ein Schlafgewand halten können, wenn nicht einiges Fremdartige dabei gewesen wäre.
    Sie trug nämlich ein langes, bis fast auf die Knöchel reichendes, weißes, hemdartiges Gewand, welches über den Hüften von einem Gürtel festgehalten wurde. Um den entblößten Hals legte sich eine breite Goldkette. Das Gewand hatte keine Ärmel; und an den Handgelenken trug sie Spangen. An den Füßen trug sie eine für das bayrische Oberland und die herbstliche Jahreszeit verwunderliche Bekleidung, nämlich kreuzweise verschnürte Sandalen. Das Haar war in einen griechischen Knoten geschlungen, und über der Stirn glänzte ein breites, hohes Diadem.
    Das Gesicht dieser Dame war sehr bleich und zeigte den Ausdruck größter Gutmütigkeit, nur jetzt in diesem Augenblick nicht, an welchem sie Anton eintreten und die Tür hinter sich zuziehen und verriegeln sah. Sie erschrak natürlich über sein Erscheinen.
    „Gott! Was woll –“
    Sie rief das lauter, als ihm nötig erschien. Er unterbrach sie schnell mit einer bittenden, beruhigenden Armbewegung, beugte sich vor, als ob er vor ihr niederknien wolle, und sagte mit von der gehabten Lungenanstrengung zitternder Stimme:
    „Rette mich!“
    Sofort nahm ihr Gesicht einen ganz anderen Ausdruck an, fast des Entzückens.
    „Retten?“ fragte sie. „Ist's ein Abenteuer?“
    „Ein lebensgefährliches sogar.“
    „Ein Liebesabenteuer?“
    „Ist

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