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66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab

Titel: 66 - Der Weg zum Glück 01 - Das Zigeunergrab Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karl May
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auch dabei.“
    „O wunderschön! Wunderschön!“
    Sie nahm die Feder, welche hinter ihrem Ohre steckte, hervor und legte sie auf den Tisch zu den Schreibereien, welche sich dort befanden.
    „Er nennt mich sogar gleich du!“ flüsterte sie entzückt. „Bist du der, welchen sie suchen?“
    „Ja.“
    „Sie wollten dich erschießen?“
    „Grad als ich auf der Felswand lief.“
    „Herr, mein Gott! Dahin hast du dich gewagt! Mensch, kannst du fliegen? Du bist ein Held! Warum verfolgt man dich?“
    „Weil ich ein Gamserl geschossen hab.“
    „So bist du ein Gemsenjäger? Wohl gar ein Wildschütz?“
    „Es ist schon so.“
    „Dann rette ich dich! Du bist mir hoch willkommen, ein Sujet, wie ich es gar nicht interessanter finden konnte.“
    „So mach halt schnell; sie werden gleich kommen!“
    „Leg dich ins Bett! Ich decke dich zu!“
    „Nein, das tue ich nicht. Ich will mich nicht aus dem Schlafkasten heben lassen. Ich steige zum Fenster hinaus –“
    „Unten steht eine Wache!“
    „Das tut nix. Ich will gar nicht hinab, sondern mich nur auf den Dachbalken setzen.“
    „Auf den Sparren? Der Wächter wird's hören.“
    „Nein, gar nicht. Ich weiß schon so leise zu machen, wie ein Mäusle. Tu mir das Licht einen Augenblick weg, damit man mich nicht hinaussteigen sieht und mach das Fenster dann zu. Nachher aber, wann sie fort sind, kannst mich wieder hereinschlupfen lassen.“
    „Gut! Schnell! Ich glaub, sie kommen schon.“
    Es ließen sich wirklich Schritte auf der Treppe vernehmen. Die sonderbare Dame stellte das Licht unter den Tisch. Anton hatte die Schuhe wieder angezogen und trat an das offene, jetzt dunkle Fenster. Als er hinunterblickte, zeigte ihm sein scharfes Auge, daß der Wächter für einen Augenblick um die Ecke gegangen war. Über dem Fenster ragte der Dachwinkel wohl gegen zwei Ellen über die Mauer hervor, die Sparren waren durch zwei Querbalken verbunden. Anton schwang sich auf diese letzteren hinauf.
    Da klopfte es auch schon an der Tür.
    „Franza!“ sagte eine Stimme.
    Sie machte das Fenster zu, hob die Lampe wieder auf den Tisch und wendete sich dann in der stolzen Haltung eines Feldherrn nach der Tür.
    „Was ist?“ fragte sie.
    „Bitte, mach auf!“
    „Für wen?“
    „Es ist Polizei da.“
    „Kann nicht. Ich dichte und befinde mich also im Kostüm.“
    „So wirf etwas über!“
    „Warte!“
    Die Garderobe befand sich wohl unten, denn in dem Stübchen war gar nichts zu sehen, was einem Mantel oder Umschlagtuch ähnlich gewesen wäre. Die Dichterin aber wußte sich zu helfen. Sie zog die weiße, gewaffelte Tagesdecke vom Bett, warf sie um sich und schloß dann auf.
    „Tretet herein, ihr Boten des allmächtigen Gesetzes!“
    Sie sagte das in einer Haltung und einem Ton, als ob sie sich als Heldenspielerin auf der Bühne befinde. Ein junger Herr in Zivil und zwei Jäger kamen herein.
    „Verzeihung, Cousine!“ bat der erstere. „Diese Herren verfolgen einen Verbrecher und wollen sich überzeugen, daß er sich nicht hier bei dir befindet.“
    „Einen Verbrecher? Ich wollte, er wäre hier! Ich könnte ihn gebrauchen!“
    „Du scherzt!“
    „Nein. Es ist mein völliger Ernst. Ich brauche ein schreckliches Individuum als Sujet zu meinem neuen Roman. Meine Herren, wenn Sie den Kerl finden, so bringen sie ihn für einige Stunden zu mir. Ich will sehen, welche Greuel ich ihm entlocken kann. Mein Roman soll nämlich den Titel haben:
    Der Schauder-, Schucker-, Schreckenskönig
oder
der Waldteufel in der Gebirgshölle.
Gedichtet und erlebt von
    Gräfin Furchta Angstina von Entsetzensberg.“
    Die beiden Fremden wußten nicht, woran sie waren.
    Der eine machte ein Gesicht, als ob er vor Mitleid schluchzen wolle, und der andere sah aus, als ob er sich die größte Mühe gebe, das Lachen zu verbeißen.
    „Also, meine Herren, suchen Sie!“ sagte die Dichterin, mit einer wahrhaft königlichen Armbewegung in dem Stübchen umherzeigend.
    Die Jäger blickten unter den Tisch und unter das Bett, griffen auch in dasselbe hinein.
    „Hier ist er nicht“, sagte der eine. „Und das Fenster ist auch zu. Er kann also nicht hereingestiegen sein.“
    „Nein. Dazu müßte er auch eine Gestalt haben wie der Wolkenschieber Ranunkulus. Wollen Sie vielleicht auch noch hier hereinsehen, um sich zu überzeugen?“
    Sie zog den Tischkasten auf.
    Der Jäger hatte eine scharfe Zurechtweisung auf den Lippen, auf einen begütigenden Blick des Zivilisten aber sagte er nur:
    „Da müßte er nun desto

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