66095: Thriller (German Edition)
und einen leuchtend orangefarbenen Transfer-Overall hin. STRAFVOLLZUGSANSTALT KENTUCKY, GEFANGENENTRANSFER stand in schwarzen Großbuchstaben auf der vorderen und hinteren Seite des Anzugs. Kelly zog die Sachen über, und Wilcox legte ihm Handschellen an. Dann holte der andere Wärter etwas aus dem Segeltuchsack, das wie der Stützgürtel eines Gewichthebers aussah, nur dass hinten ein kleiner schwarzer Kasten befestigt war.
»Werden Sie den benutzen?«, fragte Kelly, während ihm Wilcox den Gürtel um den Bauch legte.
Lyons fuchtelte mit einem schwarzen, zylinderförmigen Ding mit grünen Knöpfen und Antenne vor Kellys Gesicht herum. »Nur, wenn du versuchst abzuhauen.«
»Kommen Sie, Lyons, Sie wissen doch, dass ich das nie tun würde«, erwiderte Kelly mit blödem Grinsen. »Ich hab Ihnen doch schon öfter gesagt, mir gefällt es hier. Warum sollte ich abhauen wollen?«
Lyons wandte sich ab und versuchte, eine höchst konzentrierte, undurchdringliche Miene aufzusetzen.
»Fertig«, sagte Wilcox, als er den Gürtel zuschnallte. »Aufstellen.«
Lyons warf einen Blick auf die Uhr, dann rief er den bärtigen Wärter, der noch in der Zelle am Tisch saß. »Peterson, hierher. Wir nehmen immer zwei auf einmal.«
»Zwei auf einmal?«, fragte Peterson. »Das ist gegen die Vorschrift, Billy.«
Lyons hasste sich für das, was er vorhatte. »Die Vorschriften sind mir im Moment vollkommen egal«, gab er zurück. »Mach schon.«
Peterson zuckte die Achseln und kam aus der Zelle. Lyons sagte: »Wilcox und ich machen die Durchsuchung. Du legst die Fesseln an.«
An allen Fenstern in den weißen Türen des Trakts tauchten jetzt Augenpaare auf. Mittlerweile waren sämtliche Insassen wach. Lyons’ Aufgabe war noch etwas schwieriger geworden. Jarrett drehte den Schlüssel zweimal herum. Zwei grüne Kontrolllämpchen erloschen, zwei rote leuchteten auf.
Als Erster war ein Mann von Anfang zwanzig an der Reihe, der besser in die Reklame eines Lifestyle-Magazins gepasst hätte als in eine Gefängniszelle. Er fuhr sich mit seinen schmalen Fingern durch die dunkelblonden Haare und zwinkerte Wilcox zu.
»Ich hatte einen wunderbaren Traum«, erzählte er. »Eine Blondine. Großer Busen und …«
»Halt den Mund und zieh dich aus«, befahl Wilcox.
Quentin Mann, hieß es auf Lyons’ Computer. Verurteilt 2005. Vergewaltigung, Serientäter. Urteil: fünfundzwanzig Jahre Haft.
»Mir geht es gut«, rief ein zweiter Mann mit verschlafener Stimme und schwerem Südstaatlerakzent. Mit müden Schritten trat er aus der Zelle. Er war hager. Eine Tätowierung auf seinem Adamsapfel zeigte einen brennenden Dreizack. Leonard Pate. Verurteilt 2002. Brandstiftung in fünf Fällen. Urteil: dreißig Jahre.
»Der Test hat ergeben, dass du krank bist, Pate«, erklärte ihm Wilcox. »Du bist krank.«
»Schon gut«, meinte Pate in schleppendem Tonfall. »Und als Nächstes erzählt ihr mir, dass der Mondmensch nicht übergeschnappt ist. Aber was soll’s, dem alten Lenny kann ein Tapetenwechsel nicht schaden.«
Lyons war mittlerweile am Fenster der letzten Zelle im Trakt angelangt. Drinnen erkannte der Lieutenant im Licht einer nackten Glühbirne ein Poster des Mondes, das an der Wand hing. Sein Blick wanderte durch den Raum, suchte den Insassen. Aber er war weder auf der Pritsche noch auf der Toilette oder am Waschbecken. Lyons geriet für eine Sekunde in Panik.
Dann krachte eine Faust gegen die kugelsichere Scheibe. Lyons fuhr zurück. Ein Mann zeigte sich am Fenster: vollkommen haarlos, die Haut wächsern, auf Hals und Wangen hatte er mehrere hässliche Narbenwülste, als ob er schwere Verbrennungen erlitten hätte. Sonst war sein Gesicht fahl, aber seine Augen glühten wie Kohle.
»Lasst mich hier raus!«, brüllte er. »Ihr habt kein Recht, mich hier festzuhalten! Das ist eine Intrige. Ihr wollt mir vorenthalten, was mir zusteht!«
Lyons schauderte, dann drückte er die Eingabetaste. Robert Gregor. Inhaftiert 2005. Verurteilt wegen Mordes in einem besonders schweren Fall. Urteil: Lebenslänglich.
Der Lieutenant holte tief Luft, dann bellte er: »Gregor! Treten Sie von der Tür zurück! Sie werden ins Gefängniskrankenhaus verlegt. Ich habe Ihnen gesagt, dass das auf Sie zukommt.«
Einen Augenblick musterte Gregor Lyons hasserfüllt. Dann zwinkerte er, und das ständige Zucken an seiner Schläfe ließ nach. »Verlegt?«, fragte er.
Lyons biss die Zähne zusammen und nickte. Gregor trat zurück und hob unterwürfig die Hände.
»Lass ihn
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