66095: Thriller (German Edition)
Labyrinthhöhle
Tom Burke unterdrückte ein Gähnen und legte einen dicken Ordner neben den Computer auf den Tisch.
»Ich glaube, das ist alles«, sagte er. »Ist jedem von euch klar, wie der morgige Tag abläuft?«
Auf den Stühlen vor ihm in einer Ecke des Zelts der NASA-Kontrollzentrale saßen Andy Swearingen, Cricket und sieben weitere Männer und Frauen; alle nickten. Hinter ihnen standen Reihen von Tischen mit Computern. Ein riesiger Bildschirm hing an den Stützpfosten im Eingangsbereich des Zelts. Auf dem Monitor war ein verwirrendes Linienmuster zu sehen – eine Karte der Gänge in den neun Kämmen der Labyrinthhöhle.
»Hat jeder seine Ausrüstung parat?«, fragte er.
Wieder nickten alle. »Wir sind bereit, Tom«, antwortete eine hübsche rothaarige Frau mit französischem Akzent.
»Dann legt euch jetzt schlafen«, befahl er. »Schlaf ist das kostbarste Gut in den nächsten fünf Tagen.«
Einer nach dem anderen griff nach Notizheft und Schleifsack und verließ das Zelt. Cricket zögerte. »Kommst du, Dad?«
»Gleich, mein Schatz. Ich möchte nur noch ein paar Punkte mit Jim durchsprechen. Andy? Bringst du sie zu unserem Zelt?«
Toms Assistent nickte und begleitete Cricket hinaus. Tom wandte sich an einen Mann mit kräftigem Oberkörper, einem muskulösen Hals und einem flachen Gesicht, das an einen jungen Pitbull erinnerte. »Haben wir alles abgehakt, Jim?«
»Das werden wir bald herausfinden«, erwiderte der Mann und zündete sich eine Zigarette an. »Das Überwachungssystem ist in Betrieb. Die Sende- und Übertragungsgeräte im Vorratslager funktionieren. Ich würde sagen, es ist an der Zeit auszuprobieren, ob alles glatt geht.«
Jim Angelis trug den offiziellen Titel Direktor für Adaption und Training, Artemis-Projekt, NASA. Er sollte herausfinden, welche Bergbautechniken sich für ein Modellprojekt auf dem Mond eignen könnten, und sich Gedanken über das Training künftiger Astrobergleute machen. Eine Höhle als physisches und psychologisches Testgelände zu verwenden war seine Idee gewesen. Vor dreißig Jahren hatten sich Apollo-Astronauten durch ein langwieriges, brutales Überlebenstraining in der Wüste Kaliforniens und Idahos auf ihre Missionen vorbereitet. Angelis war überzeugt, dass ähnliche Bedingungen in einem unterirdischen Labyrinth zeigen würden, welche Kandidaten zäh genug waren, auf dem Mond Grabungen vorzunehmen. Vor knapp fünfzehn Monaten war er mit der Idee an Tom herangetreten, der sofort hellauf begeistert gewesen war. Abgesehen von der Zeit, die Tom nach dem Unfall mit seiner Frau verbrachte, hatte er seit jenem ersten Gespräch in Houston fast jeden Augenblick der Vorbereitung diesem Projekt geopfert.
Ein Großteil dieser Zeit war der Erarbeitung eines Systems gewidmet, das den NASA-Wissenschaftlern ermöglichen sollte, über Tage das Team in der Höhle zu beobachten, während es sich durch die neun Kämme der Labyrinthhöhle kämpfte. Toms Begleiter sollten in ihrem Schleifsack elektronische Peilsender von der Größe eines Schokoriegels bei sich tragen. Die Ortungssignale dieser Peilsender würden mittels Sendegeräten weitergeleitet werden, die im gesamten Höhlenkomplex verteilt waren. Felsgestein hat eine stark isolierende Wirkung und blockiert die Übertragung von Funksignalen; folglich gingen die NASA-Wissenschaftler davon aus, dass die künftigen Astrobergleute mit ihren Unterstützerteams an der Oberfläche kaum direkt würden kommunizieren können. Toms Höhlenforscher, so meinte Angelis, sollten denselben Bedingungen unterworfen sein. Der Kontakt mit der Oberfläche war für sie nur durch Computerverbindungen über eins der beiden Vorratslager im Innern der Höhle möglich. Abgesehen davon waren sie unter Tage auf sich gestellt. Angelis und die übrigen NASA-Wissenschaftler, die auf dem Jenkins – Gelände versammelt waren, hatten vor allem eine Beobachterfunktion.
»Das wär’s dann«, meinte Tom.
»Leg dich schlafen, Tom«, sagte Angelis. »Du hast getan, was du konntest. Jetzt wird’s ernst.«
»Das Land zählt auf uns«, sagte Tom. »Der Präsident zählt auf uns.«
»Wir sind bereit«, erwiderte Angelis. »Leg dich jetzt hin.«
»Meine Frau ist nicht gerade begeistert, dass Cricket morgen mit in die Höhle geht.«
Angelis runzelte die Stirn. »Ich dachte, wir wären uns in dieser Frage einig. Die PR-Leute finden die Idee großartig.«
»Wir sind uns einig, und die Idee ist großartig«, sagte Tom. »Aber Whitney – ach, das spielt
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