66095: Thriller (German Edition)
keine Rolle.«
Angelis legte seine wuchtige Hand auf Toms Schulter. »Sie wird also nicht dabei sein, wenn ihr reingeht?«
Tom schüttelte den Kopf. »Höhlen will sie nicht einmal mehr von weitem sehen. Nie wieder.«
»Das tut mir Leid.« Angelis musterte Tom. »Das wird aber deine Konzentration nicht beeinträchtigen?«
Tom erwiderte den Blick des Projektleiters mit eiserner Miene. »Unter Tage nicht. Ich gebe der Höhle nie eine Chance.«
»Genau das wollte ich hören«, sagte Angelis. »Und jetzt leg dich schlafen. Es wird alles wie am Schnürchen klappen.«
Tom nickte, griff nach einem Stapel Aktenordner und verließ das Zelt. Es war immer noch heiß und feucht, auch zu dieser späten Stunde. Die Zikaden zirpten und der aromatische Duft der Nachtluft weckte wieder den Gedanken an Whitney. Genauso war es gewesen, als er sie vor fast fünfzehn Jahren zum ersten Mal geküsst hatte. Wieder seufzte Tom, weil ihn ausgerechnet jetzt, auf dem Höhepunkt seiner Karriere, seine Frau und Forschungspartnerin im Stich ließ.
Auf dem Weg durch die langen Zeltreihen blieb er immer wieder stehen und sprach mit NASA-Wissenschaftlern, die mit verschiedenen Aspekten des Projekts betraut waren. Als Tom bei seinem Zelt angelangt war, fühlte er sich ziemlich aufgekratzt und bezweifelte, ob er überhaupt Schlaf finden würde. Als er eintrat, sah er, dass Cricket, mit einer kurzen Sporthose und T-Shirt bekleidet, die Stirn schweißglänzend, auf dem Feldbett lag und an die Decke des Zelts starrte.
»Ich dachte, du wärst längst eingeschlafen«, sagte er.
Cricket zuckte die Schultern und biss sich auf die Lippen.
»Macht dich das Interview mit Helen Greidel nervös?«, fragte er.
»Nein«, antwortete sie, ohne ihn anzusehen. »Vielleicht.«
»Soll ich dir ein Geheimnis verraten?«
Wieder zuckte sie die Achseln.
»Ich bin auch nervös«, sagte er. »Morgen ist der größte Tag meines Lebens. Abgesehen von der ersten Begegnung mit deiner Mom und dem Tag deiner Geburt.«
Sie schüttelte den Kopf. »Dich hat noch nie irgendwas nervös gemacht, Dad. Alles läuft doch so, wie du es geplant hast, immer.«
Tom betrachtete seine Tochter nachdenklich, dann trat er an ihr Bett. »Was ist los mit dir?«, fragte er.
Cricket wandte sich ab und starrte auf die Zeltwand. »Nichts.«
»Ich weiß, dass du jetzt eine junge Frau bist und so weiter. Aber ich dachte, wir wären immer noch Freunde. Freunde reden miteinander, Cricket.«
Cricket ließ sich Zeit mit ihrer Antwort und zupfte an ihrem Schlafsack herum. »Ich wünschte, Mom wäre hier.«
Tom zwang sich zu lächeln, ließ sich neben seiner Tochter auf dem Feldbett nieder und nahm ihre Hand. »Mir geht’s genauso, Liebes«, sagte er.
Cricket traten die Tränen in die Augen. »Werdet ihr euch scheiden lassen?«
Die Frage verblüffte Tom, aber er blieb ruhig. »Natürlich nicht. Wie kommst du nur auf die Idee?«
»Ich weiß nicht, es sieht so aus, als wärt ihr beide nicht mehr gern zusammen.« Cricket liefen die Tränen über die Wangen. »Ich vermisse sie, Dad. Das heißt, ich vermisse meine Mom, wie sie früher war. Wie wir alle früher waren.«
Tom wollte um Crickets willen stark sein, aber jetzt war seine Kehle wie zugeschnürt. »Ich auch, Liebes. Aber die Ärzte sagen, was sie durchgemacht hat, war so schlimm wie ein Kriegserlebnis oder als hätte sie einen Mord miterlebt. Deshalb hat sie diese Albträume und deshalb hält sie sich von allen Höhlen fern. Und der Schock hat sich durch ihre Schuldgefühle noch vertieft.«
»Aber warum sollte sie sich schuldig fühlen!«, erwiderte Cricket und verzog wütend das Gesicht.
»Deine Mom war auf die Idee gekommen, das Schreckensloch zu erforschen«, erklärte Tom und streichelte Crickets Haar. »Sie fühlt sich verantwortlich. Damit muss sie irgendwie fertig werden.«
Nach einiger Zeit sagte Cricket: »Aber sie wird doch darüber hinwegkommen?«
Tom schloss die Augen. »Das hoffe ich. Ich kann mir das Leben ohne sie nicht vorstellen.«
»Dann ist es also so, wie Opa immer gesagt hat?«, fragte Cricket.
»Dein Großvater hat vieles gesagt.«
»Gemeinsam stehen wir Burkes alles durch.«
»Ach, das meinst du.« Tom lächelte wehmütig. Er küsste seine Tochter auf die Wange und deckte sie mit dem Laken zu. »Schlaf jetzt.«
Tom stand auf und ging hinüber zu seinem Feldbett. Die Hände unter dem Kopf verschränkt, starrte er noch lange an die Decke und überlegte, ob Whitney und er das gemeinsam durchstehen würden oder
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