66095: Thriller (German Edition)
untersetzter Mann Anfang fünfzig, kam auf ihn zu und schüttelte ihm die Hand, ohne ihm jedoch in die Augen zu schauen. »So eine Sauerei, was?«, bemerkte Arnet.
»Sieht ganz so aus«, erwiderte Finnerty. »Wo sind die Leichen?«
Arnet zögerte, schluckte und zuckte die Achseln. »Fort, Marshall. Das FBI hat sie vor einer halben Stunde abgeholt.«
»Das FBI?«, fragte Finnerty erstaunt. »Die sind doch hier gar nicht zuständig?«
»Keine Ahnung«, meinte Arnet, hob die Hände und mied immer noch den direkten Blickkontakt mit Finnerty. »Das war Bundespolizei, sie hatten Dokumente und meinten, sie übernehmen jetzt die Leichen. Wer bin ich, dass ich da Streit anfange? Sie haben die Toten in Krankenwagen verfrachtet, und ab ging die Post.«
Der Marshall schüttelte den Kopf und beschloss herauszufinden, was das FBI mit dem Fall am Hut hatte. Dann nahm er seine Pilotensonnenbrille ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Ein Mann von der Spurensicherung kam auf sie zu. »Hier gibt’s nicht viel, Sheriff. Fußspuren, die aus dem Wald führen. Keine Patronenhülsen. Wir haben Teilabdrücke vom Lenkrad des Begleitfahrzeugs, aber die meisten wurden von einem Handschuhträger verwischt.«
»Handschuhe, was?«, meinte Arnet und spuckte Kautabak auf den Boden. »Warum sollten die Wärter bei der Hitze Handschuhe tragen?«
»Das finden Sie mal raus, Sheriff«, erwiderte Finnerty. »Mein Job ist es, die Burschen einzufangen.«
Der Marshall wandte sich ab und ging auf den nächsten Polizeiwagen zu. Er breitete eine Karte der Gegend auf der Kühlerhaube aus und griff dann nach dem Funkmikrophon.
»Hier spricht Finnerty«, begann er. »Ich brauche Straßensperren in Lewisburg, Elizabethtown, Rockfield und Owensboro. Wenn sie innerhalb von zwei Stunden nicht gesichtet werden, wird der Kreis ausgedehnt. Stellt sie in Corydon, Mumford, Burksville und Somerset auf. Und ich möchte, dass die Medien Fotos der Flüchtigen bekommen. Für die Zeitungen ist es zu spät, aber die Fahndungsfotos gehen an alle Fernsehsender von Cairo, Illinois, bis Cincinnati, und nach Huntington, West Virginia. Außerdem an die Sender in Clarksville, Bowling Green und Nashville.«
Finnerty verstummte und studierte die Landkarte. Ihm entging nicht, dass es Hunderte von Nebenstraßen gab, auf denen die Ausbrecher seinem dicht gespannten Netz entkommen konnten.
»Ich hab die Lebensläufe, Boss«, rief eine tiefe Männerstimme. »Vorläufiges Material aus dem Büro des Direktors von Eddyville. Ist gerade über den Computer reingekommen.«
Finnerty blickte auf und sah Captain Mark Boulter näher kommen. Er war ein blonder Hüne mit Militärhaarschnitt und markantem Kinn, einsfünfundneunzig groß, gute 100 Kilo schwer, dunkel gekleidet. Ebenso wie Finnerty trug er sein Dienstgradabzeichen an einer Schnur um den Hals. Der Captain hatte bei der Verfolgung von Straftätern immer wieder hervorragende Leistungen gebracht. Finnerty hatte schon mehrmals versucht, ihn dazu zu bewegen, dem US-Marshalls-Service beizutreten, aber Boulter war in Kentucky verwurzelt. Er hatte vier Jahre lang als Defensive End in der Footballmannschaft seiner Universität gespielt, war mit seiner Freundin von der Highschool verheiratet und wollte keine Versetzung aus seinem geliebten Heimatstaat riskieren.
Finnerty nahm die Ausdrucke entgegen. »Tu mir einen Gefallen. Sprich mit der Funkzentrale. Sorg dafür, dass jeder Polizist in Kentucky, Ohio und Tennessee diese Bilder in die Hand bekommt. Und in West Virginia.«
»Geht in Ordnung«, erwiderte Boulter und lief zum Helikopter zurück.
Finnerty faltete die Ausdrucke auseinander. Auf den ersten Blick schien Edward Kelly der gefährlichste Ausbrecher zu sein. Er hatte sich mit siebzehn als Sanitäter zum Militärdienst gemeldet. Am Tag vor seinem einundzwanzigsten Geburtstag wurde er vom Militärgericht zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt, die er in Leavenworth absaß, weil er am Verkauf von illegalem, aus dem Militärkrankenhaus von Fort Bragg entwendetem Demerol und Kodein beteiligt war. Nach seiner Entlassung kehrte Kelly ins ländliche Kentucky zurück, wo er sich eine Gruppe von Marihuana-Anbauern organisierte, mit denen er größtenteils verwandt war. Nachdem Kelly zwei Jahre lang ein skrupelloses Regime geführt hatte, zählte die Gruppe zu den wichtigsten Haschischlieferanten im Mittleren Osten der USA. Als Kelly dahinter kam, dass vier Mitglieder seiner Organisation, darunter zwei seiner
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