66095: Thriller (German Edition)
Konferenz in Japan, aber ich war dabei, und MacPherson hat Gregors Idee in Bausch und Bogen verworfen und ihn richtig zur Schnecke gemacht. Man konnte sehen, wie fassungslos und verletzt Gregor war.« Er deutete auf Whitney und Finnerty. »Aber das, worauf Sie warten, beruht auf den Forschungsaufzeichnungen, die Gregor zwischen Oktober 2004 und Mitte Januar 2005 heimlich machte.«
»Wenn du erlaubst, Chester«, fiel ihm Swain ins Wort. »Sie sollten wissen, dass das Mondgesteinslabor der NASA in Houston sämtliche Gesteinsproben vom Mond verwahrt. Gesteinsproben für Tests anzufordern ist ein komplizierter Vorgang. Für junge Forscher wie Gregor ist eine schriftliche Einverständniserklärung vom Leiter eines anerkannten Forschungsinstituts unerlässlich. Ohne mich in Kenntnis zu setzen, weigerte sich Carson, eine solche Erklärung zu unterschreiben.
Den Forschungsaufzeichnungen zufolge, die Chester erwähnt hat«, fuhr Swain fort, »machte sich Gregor weiterhin über die vielen hundert Gesteinsproben Gedanken, die während der Apollo-Missionen gesammelt worden waren. Er schrieb, er wisse, dass mehrere Dutzend dieser Steine nie angerührt worden waren. Die NASA hatte sie für Forschungen bei einem fortgeschritteneren Stand der Technik reserviert.«
»Und weiter?«, sagte Whitney. »Gregor hat dann doch einen dieser Steine in die Finger bekommen?«
»Sehr gut, Mrs. Burke«, erwiderte Swain. »Mitte November fälschte Gregor Carsons Unterschrift auf seinem Antrag, um eine dieser unberührten Gesteinsproben zu testen. Nach Prüfung des Antrags ging der Verwalter zu einem Tank mit flüssigem Stickstoff und holte mit einer langen Metallzange einen Teflonbeutel heraus, der im Jahr 1972 versiegelt und mit der Aufschrift ›Mondgestein 66095‹ versehen worden war. Gregors Aufzeichnungen zufolge traf der Stein sechs Tage vor den Weihnachtsferien in einer kleinen Kiste in unserem Labor ein.«
»In jener Woche fanden die Prüfungen statt«, sagte Norton. »Es ging ziemlich chaotisch zu. Alle wollten vor Weihnachten mit ihrer Arbeit fertig werden. Man kann sich leicht vorstellen, wie Gregor das Paket abfangen und den Stein verstecken konnte, bevor jemand mitbekam, dass er im Labor eingetroffen war.«
»Das alles wissen Sie aus seinen Aufzeichnungen, oder?«, fragte Finnerty.
Norton nickte. »Man kann über Gregor sagen, was man will. Aber er war sehr akribisch und ein Visionär.«
Swain lachte verächtlich. »Gregor war und ist ein Verrückter, der einfach Glück gehabt hat. Mein Neffe ist ein kluger Kopf, aber ich fürchte, vom menschlichen Charakter hat er nicht die leiseste Ahnung.«
Norton wurde rot und schüttelte den Kopf, aber sein Onkel schien nicht darauf zu achten und fuhr fort: »Gregor begann erst in den Weihnachtsferien spät nachts mit dem Stein zu experimentieren. Carson war nach Schottland gefahren, wo er eine Woche Ferien machen wollte, um anschließend eine Konferenz in Genf zu besuchen. Chester und ich waren in La Jolla, Kalifornien, wo wir meine Mutter besuchten.
Aus Gregors Aufzeichnungen geht hervor, dass der Stein aus Whitloctit, einem Kalziumkarbonat mit geringem Urangehalt, sowie zwei Metalloxiden – Ilmenit und Armalcholit – bestand, die auf der Erde selten, auf dem Mond aber reichlich vorkommen.
Am Heiligabend gegen zwei Uhr morgens schlug er einen winzigen Splitter von der Gesteinsprobe 66095 ab, bedampfte ihn und leitete bei 100 Grad unter null Strom durch. Es war ein Supraleiter.«
Whitney sah, dass Finnerty die Achseln zuckte. Norton bemerkte es ebenfalls und sagte: »Er hatte die Temperatur für Supraleitfähigkeit um fast fünfzig Grad angehoben, Marshall. Damit hatte er praktisch den Nobelpreis in der Tasche, aber er sagte es niemandem. Keine E-Mail an Onkel Jeff oder Dr. MacPherson. Er machte allein weiter, verließ das Labor so gut wie gar nicht mehr. Er war nicht auf Auszeichnungen aus, sondern er wollte herausfinden, was sonst noch alles in dem Ding steckt.«
Whitney nickte. Sie konnte gut verstehen, wie eine neue Entdeckung einen Menschen derart in Bann ziehen konnte. In den ersten Jahren, als sie mit Tom die Labyrinthhöhle erforschte hatte, war es dasselbe gewesen. Sie erinnerte sich, wie sie und Tom sich stürmisch umarmt hatten, als sie den Eingang zum Weihnachtsbaumweg entdeckten, und fühlte sich wieder dem Zusammenbruch nahe.
»Ja, kann man sagen«, meinte Swain. »In den nächsten fünf Tagen setzte Gregor seine Experimente fort und veränderte die
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