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66095: Thriller (German Edition)

66095: Thriller (German Edition)

Titel: 66095: Thriller (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mark T. Sullivan
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hatten nicht erwartet, dass ihnen eine unterirdische Bergtour bevorstand.
    »Die Lahme führt die Blinden, hm?«, sagte Sanchez zu Two-Elk.
    Die zierliche, aber zähe Polizistin nahm ihren Helm ab, rückte ihr blaues Halstuch zurecht und warf Whitney einen Blick zu. »Tut mir Leid, dass ich Sie am Eingang beleidigt habe, Mrs. Burke.«
    »Schon gut«, erwiderte Whitney. »Ich hätte mir auch nicht getraut. Und ich bin mir immer noch nicht sicher, ob ich’s kann.«
    »Wo sind wir?«, fragte Finnerty. »Wie weit ist es noch bis zum Vorratslager?«
    Whitney kniete nieder und malte mit dem Finger drei einander überlappende Ovale in den Sand. Rundherum zeichnete sie einen elliptischen Kreis.
    »Wir befinden uns am südlichen Ende von drei miteinander verbundenen Hallen«, erklärte sie. »Der Komplex trägt den Namen ›Hallen des Bergkönigs‹. Wir sind hier am Ausfluss des Königssees. Im Norden schließen sich das Königsschloss und der Bergfried an. Das Vorratslager befindet sich in der nordöstlichen Ecke des Schlosses, gleich hinter dem Versturzhaufen.«
    Finnerty rückte seine Maschinenpistole zurecht und fragte: »Was ist ein Versturzhaufen?«
    »Große Hallen wie diese wurden im Lauf von Jahrtausenden geschaffen, indem das Wasser in alle Richtungen Tunnel in den Fels eingeschnitten hat, um sich seinen Weg zum Grundwasser zu bahnen«, erklärte Whitney. »Irgendwann werden die Wände zwischen den Tunneln brüchig und das ganze Gebilde stürzt ein. Normalerweise spült das Wasser die Sedimente aus, und es bleiben diese großen Hallen zurück. Aber an manchen Stellen bleiben die Versturzbrocken einfach liegen und bilden so genannte Versturzhaufen. Der, den wir besteigen werden, hat an die 250 Höhenmeter. Es ist der größte, den ich kenne, ein richtiger unterirdischer Berg.«
    Two-Elk ließ den Blick über den See schweifen. »Und wie weit müssen wir schwimmen, um zu diesem Berg zu kommen?«
    »Wer hat etwas von Schwimmen gesagt?«, fragte Whitney. Sie schulterte ihren Schleifsack und machte in gebückter Haltung zwei Schritte, dann blieb sie stehen und beäugte das Wasser mit einem flauen Gefühl.
    Nur nicht nachdenken, sagte sie sich. Geh einfach los. Dann tat sie einen Schritt ins Wasser. Es war eine Täuschung – ein flaches stehendes Gewässer, das sich über pechschwarzes Sedimentgestein ausbreitete und den Anschein dunkler Tiefen erweckte. Der See maß an seiner tiefsten Stelle gerade mal zwölf Zentimeter, meist erreichte er nicht einmal fünf Zentimeter.
    Die Polizisten folgten Whitney. Das Plätschern, das sie verursachten, wurde von der Felsendecke zurückgeworfen und erzeugte ein zweites Echo an der Wasseroberfläche. Mit den Stiefeln wirbelten sie den Bodensatz auf, der an die Oberfläche trat und die Luft mit einem modrigen, schalen Geruch erfüllte. Die Decke rückte näher, und Whitney musste sich ducken, um nicht mit dem Helm anzustoßen. Sie hatte das Gefühl, dass Hunderte Meter Felsgestein über und unter ihr sich wie Mahlsteine um sie schlossen und sie zu zermalmen drohten. Das Bild gewann immer mehr Kraft und damit kehrte langsam und unerbittlich die Panik wieder.
    Ihre Waden verkrampften sich, ihre Gelenke begannen zu schmerzen, und sie verspürte den Drang, sich ins flache Wasser zu legen, sich einzuigein und die Augen vor dem Albtraum zu verschließen. Aber Whitney wusste, wenn sie jetzt stehen blieb, würde sie vor Angst erstarren und sich vielleicht nie mehr vom Fleck rühren können. Also zwang sie sich in hektischem Tempo voran, die Arme ausgestreckt, schob sie in geduckter Haltung ein Bein vor das andere und konzentrierte sich auf den Lichtkegel ihrer Stirnlampe. Aus Angst vor den Bildern, die ihre Phantasie heraufbeschwören könnte, mied sie den Blick auf die Schatten jenseits des Lichtkegels.
    Denk an etwas Positives, sagte sie sich.
    Whitney erinnerte sich an ihr erstes Studienjahr an der Emory-Universität. An einem Wochenende im Herbst hatte sie sich spaßeshalber zu einer Exkursion angemeldet – eine Einführung in die Höhlenforschung und die Höhlen der Karstlandschaft der Region Tennessee-Alabama-Georgia unter Führung von Tom Burke, der damals im zweiten Jahr Geologie studierte.
    Bei ihrem ersten gemeinsamen Ausflug unter Tage hatte die Schönheit, Kraft und Vielfalt der unterirdischen Welt Whitney in Erstaunen versetzt. Fern von der Reizüberflutung der Oberflächenwelt hatte Whitney das Gefühl, zum Kern der Dinge vorzustoßen. Tom, der über Tage schüchtern und

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