68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron
kommen. Er hatte genug erfahren und wollte sich nun schnell losreißen, um über sich keine Auskunft geben zu müssen. Nur zwei Fragen noch hatte er:
„Natürlich wissen Sie, was für eine Geborene Ihre Mutter ist? Wie war ihr Mädchenname?“
„Emilie Sendingen.“
„Nicht ‚von‘ Sendingen?“
„Nein. Sie war bürgerlich.“
„Aber Ihr Vater war ein ‚von‘ Sandau?“
„Auch nicht. Vater war ebensowenig von Adel wie Mutter.“
„So! Hm! Da habe ich mich wirklich geirrt, wirklich. Das ist aber menschlich und kommt oft vor. Bitte sehr um Entschuldigung!“
Er tippte an die Krempe seines Hutes und eilte nach dem Coupé, in welches die drei andern bereits eingestiegen waren. Rudolf Sandau blickte ihm befremdet nach. Er hatte sich ausfragen lassen wie auf dem Einwohneramt und nicht Gelegenheit gehabt, selbst eine Frage zu tun.
Wer war dieser sonderbare Mann? Aristokratisch sah er aus. Rudolf ging zu einem der Bahnbeamten, welcher ganz in der Nähe gestanden hatte.
„Haben Sie sich den Herrn betrachtet, mit welchem ich jetzt sprach?“
„Sehr wohl.“
„Kannten Sie ihn?“
„Nein. Ich habe ihn noch nie gesehen.“
„Jedenfalls aber ist er aus dieser Gegend?“
„Das bezweifle ich sehr. Ich bin hier geboren und kenne die meisten Leute im weiten Umkreise. So einen Herrn, wenn er hier wohnte, würde ich unbedingt kennen, aber ich wiederhole, daß ich ihn noch niemals gesehen habe.“
Dieselbe Auskunft erhielt der Frager auch noch von einigen anderen Personen, an welche er sich wandte. Der Baron war eben zum ersten Mal hier in Steinegg, und da er nicht per Bahn, sondern per Wagen, und zwar von Bayern herübergekommen war, so konnte auf dem Bahnhof keine Auskunft über ihn erlangt werden.
Rudolf Sandau trat in das Wartezimmer, um ein Glas Bier zu trinken. Er hatte der drohenden Wolkenbildung gar keine Beachtung geschenkt! Als er sein Bier ausgetrunken hatte, war der Bahnzug längst fort, und nun brach er auf, um hinüber nach Eichenfeld, seiner jetzigen Heimat, zu gelangen.
Er mußte da durch Steinegg gehen. Erst als er dieses passiert hatte und droben am Schloß vorüberschritt, bot sich ihm eine freiere Aussicht, und nun da er stehenblieb, um eine kurze Umschau zu halten, bemerkte er erst die kumulierenden Wolkenballen, welche sich fast zusehends höher und höher türmten.
„O weh! Das gibt ganz sicher ein Gewitter!“ sagte er sich. „Aber wie lange wird es noch dauern, ehe es ausbricht? Soll ich wieder hinunter in die Stadt, um dort abzuwarten, bis es vorüber ist, oder habe ich noch Zeit, bis nach Eichenfeld zu kommen?“
Er prüfte noch einmal den Horizont bedächtig und meinte dann couragiert:
„Pah! Diese herrliche Überraschung, wenn Mutter mich so unerwartet erblicken wird! Ich mag sie keine Minute zu lang auf diese Freude warten lassen. Und ein bißchen Regen – wer fürchtet sich vor ihm? Vorwärts also! Ich beeile mich.“
Er schritt rüstig und schneller als bisher vorwärts. Er hatte die Hauptsache nicht beachtet, nämlich die Richtung des Windes. Dieser kam von Osten her und trieb die Wolken westwärts nach den Bergen zu. Dort, im Gebirge, mußten sie sich entladen, weil sie nicht weiterkonnten.
Der nach Hohenwald führende Fahrweg ging meist durch dichten Forst. Aus diesem Grund bemerkte der Wanderer nicht, daß sich bald ein tüchtiger Wind erhoben hatte, welcher sich draußen im Freien gar zum Sturm steigerte.
Nach einiger Zeit führte ein langsam ansteigender Fahrweg links ab nach Eichenfeld, dem Ziele Sandaus. Dieser kannte die Gegend. Er wußte einen Fußweg, welcher zwar steiler, aber auch viel schneller zur Höhe stieg, um sich dann kurz vor Eichenfeld wieder mit dem ersteren zu vereinigen. Er schlug den letzteren ein.
Je höher er kam, desto mehr konnte der Wind sich geltend machen. Schon grollte der Donner in der Ferne, und Blitze zuckten über das Haupt des Berges hin.
„Es wird eher ernst, als ich dachte“, sagte er zu sich und verdoppelte seine Schritte.
Hier an der Nordseite des Berges standen die Bäume nicht so dicht, und darum wurden die nun fallenden Regentropfen bemerkbar. Sie fielen dick, schwer und prasselnd in die Zweige. Ein fürchterlicher, lang andauernder Donnerschlag folgte einem grellen, blendenden Aufleuchten des Blitzes, und dann brach das Wetter los.
Nicht Wasser war es, was fiel, sondern es waren Schloßen, meist mehr als erbsengroß. Jetzt war guter Rat teuer. Sandau hatte erst die Hälfte des Weges zurückgelegt. Es war wie
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