68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron
wem?“
„Ich geh nur spazieren.“
„So, dann sind 'S ein gar glücklicher Mensch. Unsereins kann nimmer spazieren gehn. Dazu gibt's halt keine Zeit. Man muß schaffen, schaffen und immer schaffen, wann man nicht verhungern will.“
„Sind Sie so arm?“
„Arm? Du lieber Herrgott! Wann wir nur bloß arm wären, so wollt ich noch froh sein! Elend sind wir, die elendsten Leutln weit und breit.“
„Das wäre ja unaussprechlich traurig! Worin besteht denn Ihr Elend?“
„Das wissen 'S nicht? Haben 'S noch nimmer von der verrückten Feuerbalzerin hört?“
„Es ist mir, als ob man mir diesen Namen einmal genannt hätte. Aber Genaues weiß ich nicht.“
„Sie können es sogleich derfahren.“
Und er erfuhr es. Die einstige Balzerbauerin war stets bereit, jedermann ihre Not zu klagen. Sie tat es auch jetzt. Sie erzählte alles. Sie erzählte am Schluß auch, daß der neue Lehrer der einzige sei, der sie nicht verachtet, sondern ihr die Hand gereicht habe und sogar mit ihr gegangen sei.
Während der Erzählungen war der Balzer aus dem Haus getreten. Er starrte dem König in das Gesicht. Das Auge des hohen Herrn ruhte forschend auf ihm.
„Ihr Sohn hat nicht das Aussehen eines Verrückten“, sagte er. „Es ist, als ob die Intelligenz sich vergeblich anstrenge, hervorzubrechen. Wo hat ihn denn damals der Balken getroffen?“
„Auf den Kopf freilich.“
„Das haben Sie mir bereits gesagt. Aber an welcher Stelle?“
„Das kann ich halt nicht wissen. Das hat doch nur der Doktor merken könnt.“
So schmutzig der Balzer aussah, der König legte ihm doch die Hand prüfend auf das wirre Haar.
„Freund, guter Freund!“ stammelte der Kranke, indem er dankbar nach der anderen Hand des Königs haschte.
Der letztere betastete mit den Fingerspitzen den Kopf. Balzer duldete es, ohne eine Miene zu verziehen. Plötzlich aber schrie er laut auf. Der König hatte eine Stelle getroffen, welche schmerzte:
„Das habe ich mir gleich gedacht, als ich Ihren Sohn in das Auge blickte. Er leidet nicht an einem Wahngedanken; sein Geist schläft auch nicht, sondern ist von einem physischen Druck mit aller Gewalt niedergehalten.“
„Das verstehe ich nicht.“
„Ich meine, die verletzte Stelle seines Kopfes ist noch gar nicht geheilt; darum wird sein Geist verhindert, normal tätig zu sein. Wenn diese Stelle zur Heilung gebracht wird, so wird Ihr Sohn auch geistig gesunden. Er wird nicht mehr irr im Kopf sein.“
Da blitzten ihre Augen auf. Sie warf das Tuch von sich, stand von dem Stein auf und fragte:
„Nicht mehr irr wird er sein? Er wird dann denken können und auch sprechen?“
„Ich bin kein Arzt und kann also nichts behaupten, aber ich vermute, daß ich recht habe.“
„Und könnt er sich dann auch auf alles besinnen, was damals in jener Nacht geschehen ist?“
„Ich glaube es.“
„Und er könnt es uns verzählen?“
„Gewiß.“
„Herrgott! Wär's möglich? Das ist das erste Licht, was ich leuchten seh. Wann doch die Stelle heilen tät. Dann käm's heraus, wo unser Geld ist und wer das Haus anbrennt hat. Warum sind 'S doch kein Arzt! Warum!“
Der König hatte jetzt die Stelle abermals berührt. Balzer stieß einen Wehruf aus und bat:
„Nimm's hin, nimm's hin! Ich sag ja nix. Gnade, Gnade!“
Dann, als der König die Hand von ihm nahm, rannte der Jammernde eiligst davon, um den Schmerz nicht etwa nochmals leiden zu müssen.
Der König blickte ihm sinnend nach und erkundigte sich dann:
„Ist denn nie ein Arzt auf denselben Gedanken gekommen, den ich soeben ausgesprochen habe?“
„Nein. Unsere Ärzten haben nie nix taugt. Und von fremd her einen klugen kommen lassen, das können wir nicht. Wir haben ja keinen einzigen Pfennig dazu.“
„Es soll ein kluger herkommen. Ich werde ihn rufen lassen.“
„Sie? Sie? Für uns? Sie wollen zahlen?“
„Ja, und zwar bald. Morgen bereits soll er hier sein.“
Da stürzte sie sich auf seine Hände, ergriff beide und bedeckte sie abwechselnd mit Küssen.
„Ist's wahr? Ist's wahr?“ rief sie dabei. „Oh, ich weiß halt nicht, wer 'S sind, aber für uns sind 'S ein Engel, ein guter Engel vom Himmel herab. Tun Sie's, ja, tun Sie's! Wir können Ihnen freilich nix dafür geben, aber der Herrgott wird's Ihnen vergelten im Himmeln und in der Seligkeiten!“
Er wehrte sie von sich ab.
„Wer wohnt noch in diesem Haus?“
„Der Finken-Heiner mit den Seinigen.“
„Ist er daheim?“
„Ja. Da droben steht er ja bereits am Fenstern und schaut
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