68 - Der Weg zum Glück 03 - Der Baron
diesen Gott sollt ich nicht ehren
Und seine Güte nicht verstehen?
Er sollte rufen, ich nicht hören,
Den Weg, den er mir zeigt, nicht gehn?
Sein Will' ist mir ins Herz geschrieben
Und bleibt mir in der Seele ruhn:
Wie er mich liebt, will ich auch lieben
Und meine Pflicht getreulich tun.“
Es stand nun fest in ihr, nicht eher nach Steinegg zurückzukehren, als bis sie sich ihrem Sohn zu erkennen gegeben habe.
Als der Gottesdienst beendet war, saß sie so in Sinnen versunken da, daß sie gar nicht bemerkte, daß die Gemeindemitglieder sich von ihren Sitzen erhoben, um die Kirche zu verlassen.
Ganz hinten, da wo es keinen Sitz mehr gab, hatte der König gestanden, unbemerkt von den Anwesenden. Er war erst später gekommen und hatte nicht stören wollen. Darum ging er auch eher als die anderen.
Als er aus dem Tor des Kirchhofs trat, kam in demselben Augenblick ein städtisch gekleideter Herr das Dorf herauf, den Überrock am Arm tragend und eine Tasche an der Seite. Diese letztere schien sehr gefüllt zu sein. Er trug eine goldene Brille und hatte ein sehr gelehrtes, dabei aber ziemlich joviales Aussehen. Als der König ihn bemerkte, blieb er überrascht stehen. Der andere sah ihn und beschleunigte seine Schritte. Als er herangekommen war, zog er den Hut und machte eine tiefe, respektvolle Reverenz.
„Pst! Keine Komplimente!“ warnte der König. „Es darf mich hier niemand kennen. Aber Ihre Ankunft überrascht mich. Sie können doch unmöglich mein Telegramm bereits erhalten haben und infolgedessen hier angekommen sein, Herr Medizinalrat.“
„Ein Telegramm habe ich allerdings nicht erhalten“, antwortete der Rat. „Um so mehr freue ich mich, ganz unbewußt dem hohen Ruf gefolgt zu sein.“
„Nichts vom ‚hohen‘ Ruf, bitte ich! Ich wiederhole, daß ich hier nur ein gewisser Herr Ludwig bin, und ich werde Sie einfach Doktor nennen. Ihre Gegenwart ist hier dringend nötig. Sie werden Interessantes zu tun bekommen. Aus welchem Grund aber befinden Sie sich bereits jetzt schon hier?“
„Aus dem einfachsten: Meine Pflicht gebot mir, nach Hohenwald zu kommen!“
„Ah, das ist dankbar anzuerkennen!“
„Nachdem ich Eure Maje –“
„Pst, pst!“
„Entschuldigung! Also, nachdem ich Ihnen einen kurzen Aufenthalt in dieser herrlichen Waldeslust angeraten hatte, verstand es sich von selbst, nachzusehen, wie mein Patient sich befinde und ob er auch meine Verordnung in Ehren halte.“
„Das tut er sehr!“ lächelte der König.
„So wird der Erfolg nicht ausbleiben.“
„Ich bemerke das bereits jetzt. Kommen Sie, damit wir nicht unter die Dorfbewohner geraten, welche eben jetzt die Kirche verlassen. Sie begleiten mich nach meiner Wohnung.“
„Die ich mit hätte erfragen müssen, da ich sie nicht kannte.“
„Der Wurzelsepp hat sie mir besorgt. Ich wohne in einer Mühle bei sehr braven Leuten. Sie werden einem feinen Diner mit beiwohnen.“
„Von Herzen gern. Ich bin in der Stadt aus dem Coupé gestiegen und habe es vorgezogen, den Weg nach hier zu Fuß zurückzulegen. Das und die Gebirgsluft machen Appetit. Darf ich fragen, ob es ein Diner unter vier Augen sein werde?“
„O nein. Ich habe den Müller veranlaßt, den alten, würdigen Pfarrer zu laden und auch den Lehrer, einen sehr hoffnungsvollen jungen Mann, von welchem ich überzeugt bin, daß er ein Dichter von Gottes Gnaden ist.“
„Ganz recht! Wieder einen Künstler entdeckt!“
„Zwei sogar. Einen Maler auch. Sie werden an demselben Ihre Kunst und Wissenschaft zu erproben haben. Doch davon später. Wir werden ferner speisen mit einigen guten Leuten, deren Namen Ihnen vielleicht ein wenig prosaisch klingen werden.“
Der Medizinalrat freute sich außerordentlich, seinen hohen Patienten bei so vorteilhafter Stimmung zu finden. Er warf, während sie das Dorf verlassen hatten und nun über die Wiesen schritten, einen Blick umher und sagte:
„Hier in dieser Gottesnatur sollte einem eigentlich gar nichts prosaisch erscheinen dürfen.“
„Namen doch wohl. So speisen wir zum Beispiel mit einem gewissen Müller-Helm. Das ist mein Wirt, der Müller, welcher Wilhelm heißt. Sodann mit dem Wurzelsepp –“
„Auf diesen freue ich mich bereits.“
„Und mit einem gewissen Finken-Heiner.“
„Also Heinrich der Finkler, der Vogelsteller, aus dem sächsischen Herrscherhaus.“
„Oh, mein Finken-Heiner ist ein sehr guter Bayer. Er hat meine an Sie gerichtete Depesche nach der Stadt getragen und wird dennoch zur rechten Zeit zur
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