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69

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Titel: 69 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ryu Murakami
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herumzubumsen. Es stimmte also. Diese Schleimbeutel! Warum nahmen sie die Sache nicht ernster? Mir wurde dabei so übel, und ich war so neidisch, ich hätte heulen können.

    Ich erklärte gerade, dass es keine unumstößliche Tatsache sei, dass kopulierende Hunde auseinander gingen, wenn man einen Eimer Wasser über sie kippte, dass es da Ausnahmen gab, und hatte die Mädchen dazu gebracht, vor Lachen zu brüllen, als Otaki und Narushima und ein Gefolge von sieben ihrer Jünger auftauchten. Einer von ihnen war Student und trug einen Helm. Die anderen waren Fuse und Miyachi, zwei fiese Typen aus dem Debattier-Club, einer namens Mizoguchi, der um ein Haar von der Schule geflogen wäre, weil er jemandem das Fahrrad geklaut hatte, Masutabe, der Besitzer der Acht-Millimeter-Kamera, und noch zwei Schüler aus dem zweiten Schuljahr.
    Narushima schaute mich an und lächelte unbehaglich. Sie waren beide im zweiten Jahr in meiner Klasse gewesen. Keiner von ihnen war gut in der Schule. Ich rannte rum und tönte über die Übel des Imperialismus - natürlich ohne zu wissen, was ich da eigentlich sagte -, bevor einer von ihnen überhaupt den Unterschied zwischen Lenin und Limonade kannte. Sie waren damals ganz normale, grottenschlechte Schüler, die sich gerade mit der Tatsache abfanden, dass sie nicht besonders helle waren. Das Vereinigte Campus Aktions Komitee veränderte ihr Leben: Es bewies, dass auch Nieten Stars werden konnten. Als sie begannen, Prospekte der Befreiungsfront der Studenten und Arbeiter der Universität Nagasaki in die Schule zu schmuggeln, konnte ich sie noch nicht so ganz ernst nehmen, und auch jetzt wusste ich, dass sie sich mir unterlegen fühlten. Aber mit dem Futon und den Kissen und den Papiertaschentüchern und der Tatsache, dass sie andere unterbelichtete Typen hatten, die sie herumschubsen konnten, schienen sie jetzt ein bisschen selbstbewusster zu sein.
    »Was ist los? Was führt dich hierher, Yazaki?«
    »Willst du Mitglied werden?«, fragte Otaki. Als er das erste Mal mit der Idee angekommen war, ein VCA-Komitee an der Nördlichen Oberschule zu gründen, hatte ich gesagt, er könne nicht mit mir rechnen. Ich hatte zu jener Zeit eine Menge Bewusstseinsfindung betrieben und war zu dem Schluss gekommen, dass ich einfach noch nicht reif genug für so was war. Nein, Quatsch. Ich erteilte ihm eine Abfuhr, weil ich die Vorstellung nicht mochte, von der Schule bestraft zu werden, weil ich mich einer radikalen Gruppe angeschlossen hatte, und außerdem glaubte ich, dass Filmemachen der kürzere Weg zu Futons und Kissen und Papiertaschentüchern war. Aber das war jetzt alles unwichtig. Das hier war für Kazuko Matsui. Bambi, mein kleines Reh, liebte Männer, die für die gerechte Sache kämpften.
    »Ja, ich will Mitglied werden«, sagte ich.
    Otaki und Narushima waren zunächst überrascht, dann erfreut. Sie schüttelten mir die Hand und stellten mich dem Typ mit dem Helm vor und sagten, ich sei ein brillanter Theoretiker, der seit seinem ersten Schuljahr Marx und Lenin lese. Der Helm meinte, dass Theorie allein nicht viel nütze, und warf mir einen bösen Blick zu. Er schien ein ziemlicher Arsch zu sein. Aber ich hatte schließlich mit neun Leuten zu tun. Ich musste mit einer raschen Bewegung die Kontrolle an mich reißen .
    »Na gut. Otaki, lass hören, was ab jetzt deine Strategie ist«, sagte ich.
    Otaki und Narushima schauten sich unsicher an. Sehr unwahrscheinlich, dass sie so etwas wie einen Aktionsplan im Kopf hatten. Sie hatten weder den Verstand noch den Mumm, um wirklich etwas zu unternehmen.
    »Also, ich weiß nicht, ob man das eine Strategie nennen kann, aber wir wollen einen Studienkreis mit Leuten von der Uni Nagasaki bilden und zusammen mit dem Komitee ›Frieden für Vietnam‹ an Flugblättern arbeiten und versuchen, mehr Mitglieder zu bekommen, und ...«
    »Hör mal«, unterbrach ich ihn, »lasst uns die Schule verbarrikadieren.«
    Keine der Oberschulen in Kyushu war je verbarrikadiert worden; so was war nicht einmal an der Uni von Nagasaki passiert. Für die Leute in einer Kleinstadt im wilden Westen Kyushus waren Tränengas und Barrikaden so etwas wie Godard und Led Zeppelin - der Stoff, aus dem die Träume sind. Die Idee haute alle um.
    »Ich habe schon einen Tag festgelegt. Der 19. Juli, der letzte Schultag. Wir werden das Dach besetzen.«
    »Das ist verrückt«, sagte der Helm. »Total bescheuert.«
    »Hör zu, Kumpel, du hältst dich da raus. Das betrifft die Nördliche Oberschule

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