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7 Minuten Zu Spät

7 Minuten Zu Spät

Titel: 7 Minuten Zu Spät Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kate Pepper
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große Vasen waren mit weißer Kapuzinerkresse gefüllt, aber auch ihr würziger Duft konnte den Geruch nach Mottenkugeln und Formaldehyd nicht überdecken. Die Vasen standen auf Sockeln am Fuß einer flachen Treppe, die zu einer Plattform führte, auf der, von Kränzen verdeckt, Laurens Sarg stand. Das golden schimmernde Eichenholz war hochglanzlackiert, mit großen Messinghandgriffen an jedem Ende. Der Sarg war geschlossen.
    Alice sah, wie Maggie zusammensackte, als sie den Sarg erblickte. Mühsam hielt sie sich aufrecht, um Austin abzusetzen, und der Junge drängte sich sofort an seinen Vater, der bereits in der vordersten Reihe Platz genommen hatte. Lizzie, Alice, Mike, Nell und Peter setzten sich neben die beiden, während Maggie, Simon und Ethan hinter ihnen in die zweite Reihe schlüpften. Vereinzelt war ersticktes Schluchzen zu hören.
    Bald war die Kapelle voll. Freunde aus der Nachbarschaft waren gekommen, aber die meisten Leute kannte Alice gar nicht. Es kam ihr so vor, als sei jeder da, den Lauren irgendwann in ihrem Leben mal gekannt hatte, von der Kindheit bis hin zu den Jahren mit Tim. Alice hatte Lauren vor allem als Mutter gekannt, und jetzt ging ihr durch den Kopf, was für ein kleines Stück Weg sie miteinander geteilt hatten. Auf einmal fühlte sie sich einsam inmitten all dieser Fremden, die Lauren geliebt oder zumindest so sehr gemocht hatten, dass sie sich von ihr verabschieden wollten. Allerdings vermutete Alice auch, dass einige der Trauergäste Lauren gar nicht gekannt hatten und aus reiner Neugier erschienen waren, weil sie gehört hatten, was geschehen war. Die dort hinten in der Kapelle standen, in Alltagskleidung, mit Kameras um den Hals, waren zum Beispiel ganz offensichtlich Reporter.
    Alice erblickte Frannie in der Menge. Sie trug ein schwarzes Kostüm und schwarze, hochhackige Pumps. Die Hände hinter dem Rücken, lehnte sie an der Wand. Als sie sah, dass Alice sie bemerkt hatte, nickte sie ihr traurig lächelnd zu.
    Der Gottesdienst dauerte über eine Stunde. Nach dem Rabbi hielt Tim eine Rede. Als Anwalt war er eigentlich daran gewöhnt zu reden, aber nun rang er nach Worten.
    »Ich kann es immer noch nicht glauben, dass das passiert ist«, sagte er mit dünner, von zu vielen Zigaretten und zu vielen Tränen kratziger Stimme. Alice wäre ihm am liebsten zu Hilfe geeilt. Aber sie blieb bewegungslos sitzen und lauschte seinen Worten.
    »Ich habe Lauren während des Studiums kennen gelernt«, begann er. »Wir waren elf Jahre verheiratet…«
    Dann jedoch brach er zusammen und weinte nur noch.
    Alice spürte, wie sich der Griff ihrer Mutter, die neben ihr saß und ihre Hand hielt, verstärkte. Sie wandte den Kopf und sah, dass sie sie besorgt anblickte, und erst da merkte sie, dass sie unwillkürlich die Luft angehalten hatte.
    Auch während des Trauerempfangs ließ Lizzie sie nicht aus den Augen und kümmerte sich rührend um sie. Austin stand mit den anderen Kindern in einer Ecke, und sie spielten abwechselnd mit dem Jo-Jo-Ball und drehten den anderen Gästen den Rücken zu. Als eine Reporterin sich anschlich, um ein Foto von Austin zu schießen, griff Simon ein und hinderte sie daran. Alice war erleichtert darüber. So würde es zumindest keine Schlagzeile in der Art von Amerikanisches Kind bei der Beerdigung seiner Mutter geben. Keine der tragischen Geschichten, die Alice im Lauf der Jahre in den Zeitungen gelesen hatte, war der Wahrheit auch nur im Entferntesten nahe gekommen. Dies hier war die Wahrheit. Und man konnte sie nicht in Worte fassen.
    »Hauen Sie ab«, befahl Simon mit seiner tiefen Stimme.
    Die Reporterin, eine dünne junge Frau, verzog sich, und Simon hockte sich zu den Kindern. Er nahm Austin das Jo-Jo aus der Hand und drückte es so, dass ein versteckter Augapfel heraussprang.
    »Cool!«, sagte Austin, und alle Kinder kicherten.
    »Was machen wir bloß mit Austin?« Maggie war zu Alice und Lizzie getreten.
    »Wir kümmern uns um ihn«, erwiderte Alice. »Wir sind jetzt seine Mütter.«
    Maggie verlor nicht eine Sekunde Zeit, um das Herz des kleinen Jungen zu erobern. Sie marschierte zu der Gruppe und drängte sich zwischen Simon und Austin. Simon zog lächelnd die Augenbrauen hoch und legte Maggie den Arm um die Taille. Sie schmiegte sich an ihn. Austin errötete. Alle Kinder wussten Bescheid über die bittere Scheidung von Maggie und Simon, da ihnen Ethan immer alles brühwarm berichtet hatte. Einmal hatte Alice mitbekommen, wie Ethan einen Streit seiner Eltern

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