7 Werwolfstories
zusammengewachsenen Augenbrauen, die langen Zeigefinger und die behaarten Handflächen. All das haben Sie. Selbst Ihr Name deutet darauf hin. Familiennamen entstehen nicht zufällig. Jeder Smith hat einen Vorfahr, der Schmied war. Jeder Fischer entstammt einer Familie, die sich mit dem Fischfang befaßte. Und Sie heißen Wolf.«
Diese Behauptung wurde so ruhig ausgesprochen und klang so plausibel, daß Wolf unsicher wurde.
»Aber ein Werwolf ist ein Mensch, der sich in einen Wolf verwandelt. Das hab’ ich noch nie getan. Wirklich nicht.«
»Ein Säugetier«, sagte Ozymandias, »ist ein Tier, das lebende Junge gebiert und diese säugt. Auch eine Jungfrau ist ein Säugetier. Und die bloße Tatsache, daß Sie sich noch nie verwandelt haben, ändert nichts daran, daß Sie ein Werwolf sind.«
»Aber ein Werwolf …« Plötzlich leuchteten Wolfs Augen auf. »Ein Werwolf? Das ist ja viel besser als ein G-man! Jetzt werde ich’s Gloria zeigen!«
»Wie meinen Sie das, Kollege?«
Wolf kletterte vom Barhocker herunter. Die Aufregung, in die ihn sein brillanter Einfall versetzt hatte, schien ihn zu ernüchtern. Er packte den kleinen Mann beim Ärmel. »Kommen Sie. Wir suchen uns einen Platz, an dem wir nicht gestört werden. Und dann beweisen Sie, daß Sie wirklich ein Zauberer sind.«
»Aber wie?«
»Sie zeigen mir, wie ich mich verwandeln kann.«
Ozymandias trank den Gin Tonic aus und spülte seine letzten Hemmungen hinunter. »Kollege«, verkündete er, »es kann losgehen!«
Professor Oscar Fearing stand hinter dem seltsam geschnitzten Lesepult im Tempel zur finsteren Wahrheit und beendete sonor murmelnd das Gebet. »Und in dieser Nacht von allen Nächten, im Namen des schwarzen Lichtes, das in der Finsternis glüht, danken wir dir!« Er schloß das pergamentgebundene Buch und blickte auf die wenigen Anwesenden, indem er inbrünstig rief: »Wer will dem Herrn der Unterwelt seinen Dank darbringen?«
Eine füllige Witwe erhob sich. »Ich entbiete meinen Dank!« schrillte sie aufgeregt. »Meine Katze war krank, todkrank. Ich nahm von ihrem Blut, bot es dem Herrn der Unterwelt dar, und er war gnädig und gab sie mir zurück.«
Hinter dem Altar überprüfte ein Elektriker die Schalter und spuckte angewidert aus. »Total verrückt! Alle miteinander!«
Der Mann, der soeben eine groteske und angsteinflößende Verkleidung anlegte, hielt einen Moment inne und zuckte mit den Schultern. »Wir werden gut bezahlt. Was geht’s uns an, wenn die verrückt spielen!«
Ein hochgewachsener, magerer alter Mann hatte sich erhoben. »Ich entbiete meinen Dank!« rief er. »Ich danke dem Herrn der Unterwelt dafür, daß ich mein großes Werk vollenden konnte. Mein Schutzschirm gegen magnetische Bomben hat sich als voll wirksam erwiesen zum Ruhme unseres Landes, der Wissenschaft und des Herrn der Unterwelt!«
»Spinner«, murmelte der Elektriker.
Der Kostümierte sah vorsichtig um die Ecke des Altars. »Was heißt hier Spinner. Das ist Chiswick vom physikalischen Institut. Man denke, so ein Mann fällt auf diesen Blödsinn herein! Hör mal einen Moment zu: Er erzählt sogar von den Regierungsplänen, seine Erfindung zu verwenden. Ich möchte wetten, daß die Fünfte Kolonne hier allerhand aufschnappen könnte.«
Als die Versammlung ihre Danksagung beendet hatte, herrschte Schweigen im Tempel. Professor Fearing lehnte sich über das Lesepult und sprach ruhig und eindrucksvoll. »Wie ihr wißt, meine Brüder in Finsternis, ist heute der dreißigste April, der Abend, den die Kirche der Märtyrerin St. Walpurgis geweiht hat, und den wir anderen, tieferen Zielen weihen. Es ist der heutige Abend, und nur der heutige Abend, an dem es uns möglich ist, unseren Dank dem Herrn der Unterwelt
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