7 Werwolfstories
Attraktiveres. Sie sagt, wenn ich ein Schauspieler oder G-man wäre – vaschtehnse?«
Ozymandias der Große nickte.
»Gut, gut. Sie vaschtehn. Na fein. Aber warum reden Sie dann immer darüber? Sie vaschtehn. Das wär’s. Zum Teufel damit.«
Ozymandias’ rundes, bärtiges Gesicht verklärte sich. »Klar«, sagte er und setzte beschwingt hinzu: »Und darauf wollen wir anstoßen.«
Sie stießen an und tranken. Wolf nuschelte einen Trinkspruch auf Alt-Niederfränkisch und beging einen unverzeihlichen Fehler bei der Anwendung des Genitivs.
Die beiden Gäste neben ihm brachen in Gesang aus. Sie sangen ›Meine wilde irische Rose‹, aber es gedieh nicht so recht. »Was wir brauchen«, sagte der Mann mit der Melone, »ist ein Tenor.«
»Was ich brauche«, nuschelte Wolf, »ist eine Zigarette.«
»Aber gern«, sagte Ozymandias der Große. Der Barkeeper stand direkt vor ihnen und füllte Bier ab. Ozymandias langte über die Theke hinweg, holte hinter dem Ohr des Barkeepers eine brennende Zigarette hervor und gab sie seinem Gefährten.
»Wo kommt die denn her?«
»Ich weiß nicht. Ich weiß nur, wie man sie hervorholt. Ich sagte Ihnen ja, daß ich ein Zauberer bin.«
»Oh. Ich verstehe. Preschigigischaschion.«
»Nein. Ich bin kein Prestidigitator; ich sagte Zauberer. Oh, zum Kuckuck! Mehr als ein Gin Tonic, und schon beginne ich anzugeben.«
»Ich glaub’ Ihnen nicht«, sagte Wolf kategorisch. »Es gibt keine Zauberer. Das ist genauso albern wie Oscar Fearing und sein Tempel, und was ist überhaupt am dreißigsten April so Besonderes dran?«
Der Bärtige runzelte die Stirn. »Bitte, Kollege. Wir wollen nicht mehr davon reden.«
»Nein. Ich glaube Ihnen nicht. Reine Preschi schi-Taschenspielerei. Hat nichts mit Zauberei zu tun.« Seine Stimme wurde lauter. »Sie sind ein Schwindler.«
»Bitte, beruhigen Sie ihn«, flüsterte der Barkeeper.
»Na gut«, sagte Ozymandias resigniert, »ich werde Ihnen etwas zeigen, das nicht Prestidigitation sein kann.« Die Männer nebenan hatten wieder zu singen begonnen. »Die brauchen einen Tenor. Gut, sie sollen ihn haben.«
Und die süßeste irische Tenorstimme, die je erklungen war, gesellte sich zu dem Duett. Die Sänger kümmerte es wenig, wo die Stimme herkam. Sie akzeptierten sie einfach und fühlten sich angespornt, ihr Bestes zu geben.
Wolf war zwar beeindruckt, schüttelte aber den Kopf. »Auch keine Zauberei. Das ist Ventriloquismus.«
»In Wirklichkeit war das ein Straßensänger, der während der Oster-Revolte umkam. War ein feiner Kerl. Ich habe nie eine schönere Stimme gehört, es sei denn in jener Nacht in Darjeeling, als …«
»Schwindler!« sagte Wolfe Wolf laut und angriffslustig.
Ozymandias fixierte wieder den langen Zeigefinger. Er betrachtete die dunklen Augenbrauen des Professors, die sich in einer geraden Linie über der Nasenwurzel trafen. Er hob die schlaffe Hand seines Trinkgenossen von der Theke und besah die Innenfläche. Der Haarwuchs war sehr fein, doch wahrnehmbar.
Der Zauberer lächelte triumphierend. »Und Sie rümpfen die Nase über Zauberei!«
»Was isso komisch dran?«
Ozymandias senkte die Stimme. »Weil Sie, mein feiner pelziger Freund, ein Werwolf sind.«
Der irische Märtyrer sang nun die ›Rose von Tralee‹, und die beiden Sterblichen hielten tapfer mit.
»Was bin ich?«
»Ein Werwolf.«
»Aber so was gibt’s ja gar nicht. Das weiß jeder Narr.«
»Narren wissen vieles«, sagte Ozymandias, »das den Weisen verborgen ist. Es gibt Werwölfe. Es hat sie immer gegeben und wird sie wahrscheinlich immer geben.« Er sprach so sicher und sachlich, als ob er erwähnte, daß die Erde rund sei. »Und es gibt drei unfehlbare physische Merkmale: die
Weitere Kostenlose Bücher