7 Werwolfstories
Antwort.
»Ich kann nicht«, sagte eine angenehm klingende Männerstimme auf Englisch; sie überhörte den harten, rollenden Akzent nicht.
»Sprechen Sie nicht Französisch?« erkundigte sie sich in derselben Sprache.
»Nein – ich bin Amerikaner.«
Sie runzelte die Stirn und mahnte sich zur Vorsicht. Wer immer dieser Mann hinter dem Busch war, er sprach mit einem slawischen Akzent und war alles andere als ein Amerikaner.
»Warum können Sie nicht aus Ihrem Versteck kommen?« fragte sie.
»Weil ich nackt bin.«
»Oh.«
Das Strauchwerk teilte sich, dann erschien der nackte Oberkörper eines kräftig gebauten Mannes von mittlerem Alter. Er hatte strenge, markante Gesichtszüge, sein Haarschnitt war von militärischer Kürze.
Er lächelte unbeholfen und sagte: »Man hat mir die Kleider gestohlen, als ich hier badete.«
»Ach?« meinte sie zweifelnd und dachte: Er lügt schon wieder. Laut sagte sie: »Der See ist so einsam und verlassen, daß sich kaum ein Fremder hierher verirrt. Selbst Einheimische …«
Sie unterbrach sich, weil sie erkannte, wie verfänglich ihre Worte waren. Schnell fügte sie hinzu: »So verlassen ist der See eigentlich gar nicht. Wir kommen sehr oft her – mein Freund muß ohnedies bald eintreffen. Er kann jeden Augenblick kommen.«
Das Gesicht des Unbekannten erhellte sich. »Vielleicht könnte mir Ihr Freund eine Badehose borgen.«
Das Mädchen lachte schallend, gelöst. Als sie sein Erstaunen und seine Betroffenheit sah, bemerkte sie: »Ich dachte, Sie seien ein Wüstling, ein Voyeur oder so – man liest ja allerhand Schauerliches. Deshalb habe ich zu Ihnen gesagt, daß mein Freund bald kommt.«
»Dann kommt er gar nicht?«
Sie schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich muß Sie leider enttäuschen. Aber lassen Sie mich nachdenken. Nackt können Sie natürlich nicht bleiben … Natürlich, so geht es! Sie können sich zur Not das Höschen meines Bikinis überstreifen; mit dem Baden wird es ohnehin nichts mehr.«
»Aber…«
»Lassen Sie mich nur machen«, unterbrach sie ihn. »Ich bringe Sie mit dem Rad zu mir nach Hause. Auf dem Dachboden befinden sich noch einige Klamotten meines Vorgängers, die könnten Ihnen passen.«
Es stellte sich heraus, daß sie Lehrerin in einem kleinen Ort war und ein abgelegenes Haus bewohnte. Niemand bemerkte sie, als sie mit dem Fremden ankam. Sie brachte ihm Unterwäsche, ein Hemd und einen zerknitterten Anzug.
Er rümpfte die Nase.
»Eingemottet«, erklärte sie spitz. »Aber in Ihrer Verfassung können Sie nicht wählerisch sein.«
»Natürlich nicht. Entschuldigen Sie.«
Als er sich wenige Minuten später mit dem Anzug sehen ließ, stellte sie fest, daß er recht stattlich darin wirkte. Nachdem sie ihm zu essen gegeben hatte, erkundigte sie sich, was er nun zu tun gedenke. Er erklärte, daß er beim nächsten Gendarmerieposten Anzeige erstatten würde, um dann zu seinem Geschäftsfreund zurückzukehren, bei dem er wohne.
Wortlos legte sie eine Zeitung vor ihn auf den Tisch. Sie sah, daß sein Blick wachsam und argwöhnisch wurde. Ohne auf die Zeitung zu achten, sagte er: »Ich kann das leider nicht lesen. Würden Sie es mir übersetzen?«
Sie nahm die Zeitung wieder an sich und las die Überschrift vor: »Sowjetische Raumkapsel bei Imperia ins Meer gestürzt. Sechs Astronauten kamen ums Leben … der einzige überlebende Astronaut dürfte durch einen Schock das Gedächtnis verloren haben. Er ist vor seinen Rettern in die Berge des Ligurischen Apennin geflüchtet. Bei Redaktionsschluß fehlte von ihm noch jede Spur, aber es ist nicht unwahrscheinlich, daß er sich bereits auf französischem Boden befindet. Die Bevölkerung wird ersucht…«
»Sie haben recht«, gestand er, »das bin ich. Aber ich habe
Weitere Kostenlose Bücher