7 Werwolfstories
dringenden Besprechung in den Gemeinschaftsraum. Als alle versammelt waren, sprach er zusammenfassend über den Erfolg ihrer Expedition und ging sofort auf den eigentlichen Grund der Zusammenkunft über.
Er sagte: »Wir können nicht dulden, daß dieser Erfolg durch verbrecherische Elemente in Frage gestellt wird. Irgend jemand aus unserer Gemeinschaft möchte sich persönliche Vorteile verschaffen, indem er die Lebensmittelkammer plündert. Wenn das nicht sofort eingestellt wird, schmelzen unsere knapp rationierten Lebensmittel auf ein Nichts zusammen, noch bevor wir die Erde erreicht haben.«
Sergej Kamow war den Ausführungen mit wachsendem Unbehagen gefolgt. Er glaubte sich durch seine Nervosität verraten, als er den Blick des Kommandanten auf sich ruhen spürte.
»Meldet sich der Schuldige freiwillig?«
Sergej hatte nicht geglaubt, daß das Fehlen von drei Fleischkonserven so schnell auffallen würde. Er wollte den Diebstahl schon zugeben, als sich der Navigator meldete.
»Ich bin der Dieb«, sagte er.
Sergej frohlockte innerlich. Der Navigator war sein Verbündeter, ein Wolf wie er. Warum sonst hätte er die Fleischkonserven stehlen sollen?
»Warum haben Sie gestohlen?« fragte der Kommandant.
»Ich … ich brauchte das Fleisch …«
»Wer fühlt sich noch schuldig?« erkundigte sich der Kommandant. Als sich niemand meldete, sagte er: »Dann muß ich den anderen Dieb überführen. Funker, geben Sie zu, daß Sie den Wasservorrat unerlaubt angegriffen haben?«
»Ja«, bekannte der Funker.
»Sie haben einen Bottich voll Wasser in Ihrer Kabine stehen. Wozu brauchen Sie das Wasser? Funktioniert der Wasserhahn nicht?«
»Doch«, bekannte der Funker, »aber manchmal … manchmal kann ich ihn nicht betätigen.«
Jetzt sind wir drei, triumphierte Sergej Kamow.
»Ich kann alles verstehen«, meinte der Kommandant mit plötzlich veränderter Stimme, »nur nicht, daß sich einige auf Kosten anderer bereichern wollen. Wir sollten uns in jeder Lage vor Augen fuhren, daß wir eine Gemeinschaft sind. Auch Sie, Genosse Kamow!«
Sergej zuckte zusammen, aber er faßte sich schnell wieder. Er hatte mit dem Navigator und dem Funker zwei Bundesgenossen, die im Falle einer Auseinandersetzung auf seiner Seite stehen würden.
»Ich bin krank, ich brauche Fleisch«, sagte er deshalb herausfordernd.
Der Kommandant reagierte ganz anders als erwartet.
»Wie können Sie das nur sagen, Genosse Kamow! Sie nennen es eine Krankheit, aber es ist eine kostbare Begabung. Ich bin ebenfalls damit gesegnet – wir alle sind es. Oder gibt es einen Außenseiter unter uns?«
Die sechs Astronauten schüttelten die Köpfe. Die Verkrampfung der letzten Tage und Wochen fiel von ihnen ab, sie benahmen sich freier und ungezwungener. Sie brauchten voreinander keine Geheimnisse mehr zu haben. Sie waren alle von dem gleichen Drang befallen.
Das Raumschiff raste der fernen Erde entgegen. Es hatte sieben Werwölfe an Bord, die sich gegen die Menschheit verschworen hatten.
Sergej Kamow blickte in Gedanken versunken aus dem Seitenfenster des Führerhauses auf die vorbeiflitzenden Bäume, die die Landstraße einsäumten.
Immer wieder sah er Marielies nackten Körper ausgestreckt neben dem Bett liegen, blutbesudelt. Er erinnerte sich noch genau daran, daß er sich die Schnauze abgeleckt hatte, bevor er durch das Fenster ins Freie gesprungen war. Die Geschehnisse der beiden darauffolgenden Tage hafteten nicht mehr so lebendig in seinem Gedächtnis.
Er wußte nur noch, daß er in Wolfsgestalt durch die Gegend gestreunt war und daß einige Male Menschen seinen Weg gekreuzt hatten, obwohl er die Ortschaften und
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