7 Werwolfstories
ihren Angeln.
Aus dem düsteren Raum sprang ein schwarzer Schatten die beiden Beamten an. Ihre folgenden Schmerzensschreie vermischten sich mit dem wilden Knurren der Bestie. Der Kampflärm drang bis in den Hintertrakt, wo sich der Bereitschaftsraum befand, und alarmierte die dort befindlichen Polizisten. Als sie mit entsicherten Pistolen ins Wachzimmer stürmten, bot sich ihnen ein schrecklicher Anblick.
Inmitten eines Chaos aus umgestürzten Tischen und Stühlen lagen fünf ihrer Kameraden blutüberströmt und röchelnd – und durch ein offenstehendes Fenster sprang ein großer schwarzer Wolf hinaus auf die Straße.
Eine sofort eingeleitete Verfolgungsjagd verlief ergebnislos. Es meldeten sich zwar viele Augenzeugen in und um Lyon, die einen schwarzen Wolf gesehen haben wollten, und aus den Krankenhäusern wurden fast zwei Dutzend Fälle von Bißwunden gemeldet – aber der Wolf blieb unauffindbar.
Eine Woche später ging ein Mann mit aufgestelltem Mantelkragen eine bestimmte Straße in Paris entlang. Er blieb vor einem Haustor stehen, an dem ein unaufdringliches Schild verkündete:
Dr. Jean-Louis Guillard
Psychiater und Professor für Lykanthropologie
Dem Mann bereitete es sichtliches Unbehagen, in den hellen Eingang zu treten. Aber er überwand seine Scheu dann doch und drückte den Klingelknopf neben Professor Guillards Namensschild.
Aus dem Lautsprecher ertönte ein Knacken, und dann fragte eine Frauenstimme: »Wer ist da?«
»Kann ich Dr. Guillard sprechen?« fragte Sergej Kamow auf Englisch zurück.
Eine Weile herrschte Schweigen, dann meldete sich die Frau in gebrochenem Englisch: »Der Professor hat jetzt keine Sprechstunden.«
»Aber es ist dringend«, beharrte Sergej. »Ich muß ihn unbedingt sprechen. Lassen Sie mich zu ihm.«
»Professor Guillard ist nicht hier…«
»Lassen Sie mich ein«, drängte Sergej und blickte sich um. »Ich werde oben auf ihn warten.«
»Worum handelt es sich?« erkundigte sich die Frauenstimme ungerührt.
»Es …« Sergej zögerte, dann fuhr er schnell fort: »Ich möchte ihn in seiner Eigenschaft als Lykanthropologe sprechen.«
Es kam keine Antwort, aber dafür sprang das Haustor mit einem Summen auf. Sergej ignorierte den Lift und ging die zwei Etagen bis zu Dr. Guillards Ordination zu Fuß hinauf. Eine kleine, unscheinbare Frau in weißem Ärztekittel erwartete ihn mit einem nervösen Lächeln an der Tür.
»Sie hätten sofort sagen müssen, daß der Herr Professor Sie erwartet«, empfing sie ihn.
Sergej antwortete darauf nichts. Wenn der Professor jemand erwartete, der mit ihm lykanthropische Probleme erörtern wollte, und die Sprechstundenhilfe glaubte, er sei diese Person, so konnte ihm das nur recht sein. Wenn sich die Verwechslung erst herausstellte, bis er seine Geschichte dem Professor erzählt hatte, dann würde der seinen anderen Besucher schnell vergessen.
Sergej fühlte sich sogleich geborgen, als er an der Sprechstundenhilfe, die ihm die Tür offenhielt, vorbeitrat und in einen Vorraum mit einigen antiken Möbelstücken kam. Hinter ihm fiel die Tür ins Schloß.
»Hierher, bitte«, sagte die Sprechstundenhilfe und führte ihn in eine Bibliothek. »Machen Sie es sich gemütlich.«
Sergej sah sich anerkennend um. Selten hatte er einen Raum gesehen, der so viel Behaglichkeit ausstrahlte. Eine Leselampe warf angenehmes Licht auf einen Tisch und ließ die Bücherregale in der dahinterliegenden Dämmerung mehr erahnen als sehen. Ein offener Kamin, in dem ein kleines Feuer knisterte, tat ein übriges zur Schaffung einer angenehmen Atmosphäre.
Die Sprechstundenhilfe blieb abwartend in der Tür stehen.
»Wann
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