7 Werwolfstories
…«
»Beherrschen Sie den indischen Seiltrick?« fragte Gloria träge. »Mein Freund sagt, das sei furchtbar schwierig.«
»Schwierig? Keine Spur, Madam. Ich erinnere mich an den Abend in Darjeeling …«
Fergus nahm erneut einen großen Schluck. »Ich«, verkündete er bockig, »will den indischen Seiltrick sehen. Ich kenne Leute, die Leute kennen, die Leute kennen, die es gesehen haben, und näher bin ich nie herangekommen. Und ich glaube es nicht.«
»Aber, Kollege, es ist ganz einfach.«
»Ich glaub’s nicht.«
Ozymandias der Große richtete sich zu seiner ganzen nicht vorhandenen Länge auf. »Kollege, dann werde ich Sie eines Besseren belehren.« Yoggoth zupfte warnend seine Rockschöße. »Laß mich in Ruhe, Wolf. Man will mich verleumden.«
Fergus brachte ein Stück Seil herbei. »Ist das geeignet?«
»Bestens.«
»Was geht hier vor?« wollte der Besetzungschef wissen.
»Sch!« sagte Gloria. »Oh …«
Sie strahlte Ozymandias hingerissen an, dem die Brust so schwoll, daß die Knöpfe fast absprangen. »Meine Damen und Herren!« verkündete er mit Donnerstimme. »Sie sehen jetzt Ozymandias den Großen und – den indischen Seiltrick! Leider habe ich keinen kleinen Jungen hier«, fügte er ernsthaft hinzu, »den ich in Stückchen zerschneiden kann, es sei denn, daß vielleicht einer von Ihnen – nein? Gut, dann versuchen wir es so. Ist aber nicht so eindrucksvoll. Willst du vielleicht mit der Kläfferei aufhören, Wolf?«
»Ich dachte, er heißt Yogi«, sagte Fergus.
»Yoggoth. Da er aber mütterlicherseits ein Wolf ist … Ruhe jetzt!«
Während er sprach, hatte er das Seil aufgerollt. Jetzt legte er die Seilrolle in die Mitte der Bühne, wo sie wie eine angriffslustige Klapperschlange aussah. Er stellte sich daneben und murmelte routiniert und so rasend schnell seine Beschwörungen und bewegte sich dabei so rasch, daß selbst Wolf-Yoggoths übermenschlich scharfe Sinne ihm nicht folgen konnten.
Das Ende des Seils löste sich von der Rolle, erhob sich in die Luft, schwankte ein paarmal hin und her, als ob es sich über die Richtung vergewissern wollte, und schoß dann wie ein Pfeil empor, bis das Seil abgerollt war. Das untere Ende schwebte gut drei Zentimeter über dem Fußboden.
Gloria keuchte. Der Besetzungschef stürzte seinen Drink hinter die Gurgel. Fergus starrte aus irgendeinem Grund auf den Hund.
»Und nun, meine Damen und Herren – oh, verdammt, ich wünschte, ich hätte einen Jungen zum Zerschneiden hier –, wird Ozymandias der Große das Seil hinanklettern in jene Gefilde, die nur die Eingeweihten kennen. Bin gleich wieder zurück«, sagte er beruhigend zu Wolf.
Seine molligen Hände griffen nach dem Seil und ruckten daran. Seine Knie schwangen sich nach oben und klemmten sich um die hanfene Säule. Und weiter ging’s nach oben, wie ein Affe an einer Stange, aufwärts, aufwärts, immer weiter …
… bis er plötzlich verschwunden war.
Einfach verschwunden. Gloria konnte nicht mal mehr ›Oh!‹ sagen. Der Besetzungschef setzte sich mit seinen schönen Flanellhosen auf den dreckigen Bühnenboden und starrte offenen Mundes.
Fergus fluchte leise und melodisch. Und Wolf lief prickelnd eine böse Vorahnung die Wirbelsäule entlang.
Die Tür zum Bühnenraum öffnete sich, und zwei Männer in Arbeitskleidung kamen herein. »He!« sagte der erste. »Was machen Sie denn hier?«
»Wir kommen von der Metropolis-Film«, begann der Besetzungschef zu erklären, indem er auf die Füße kam.
»Und wenn Sie aus Washington sind, wir müssen alles abräumen. Heute abend ist hier Filmvorführung. Los, Joe, hilf mir, sie ‘rauszuschmeißen. Und die Töle auch.«
»Das geht nicht, Fred«, sagte Joe ehrfurchtsvoll und deutete auf Gloria. Seine Stimme sank zu einem scheuen
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