7 Werwolfstories
Schoßhündchen, Oscar! Warte, bis ich’s dir erzählt habe.«
Professor Fearing polierte seinen Kneifer an seinem Jackenärmel. »Und du warte, bis ich dir erzählt habe, was ich erfahren habe. Chiswick hat die Arbeit am Schutzschirm gegen magnetische Bomben abgeschlossen. Der offizielle Test ist für nächste Woche angesetzt. Und Farnsworth ist mit seinem neuen Verfahren für die Gewinnung von Osmium auch bald soweit. Jeden Tag kann der Gaskrieg ausbrechen, und wer dann den größten Vorrat an …«
»Fein, Oscar«, unterbrach Gloria ihn, »aber das kann alles warten. Jetzt haben wir andere Sorgen.«
»Wie meinst du das, meine Liebe?«
»Hast du einen rothaarigen jungen Iren mit einem gelben Hemd gesehen?«
»Nein – doch, ja. Ich habe ihn gesehen, wie er gestern aus dem Büro kam. Ich glaube, er hat mit Wolf gesprochen.«
»Er ist auf unserer Spur. Er ist ein Detektiv aus Los Angeles und hinter uns her. Irgendwo hat er ein Dokument gefunden, das wir hätten vernichten sollen. Er weiß, daß ich mit drinstecke, und er weiß, daß ich mit jemandem im germanistischen Institut in Verbindung stehe.«
Professor Fearing betrachtete die Gläser seines Kneifers, befand sie für sauber, und setzte ihn auf die Nase. »Nur keine Aufregung, meine Liebe. Nur keine Hysterie. Wir wollen das in aller Ruhe besprechen. Weiß er über den Tempel der finsteren Wahrheit Bescheid?«
»Noch nicht. Auch über dich nicht. Er weiß nur, daß es jemand vom Institut ist.«
»Nun denn, was könnte einfacher sein? Du hast gehört, wie merkwürdig Wolfe Wolf sich benommen hat?«
»Und ob.« Gloria lachte spöttisch.
»Jedermann weiß, daß er in dich verliebt ist. Schiebe die Schuld auf ihn. Es sollte dir nicht schwerfallen, dich als unschuldiges Werkzeug hinzustellen. Lenke die Aufmerksamkeit auf ihn, und unserer Organisation wird nichts geschehen. Der Tempel der finsteren Wahrheit kann weiterhin seine mystische Funktion erfüllen und aus müden Wissenschaftlern, die eine falsche Religion als Gefühlsventil brauchen, noch viel wertvollere Informationen herausholen.«
»Das habe ich schon versucht. Ich habe O’Breen ein solches Märchen über meine Zuneigung zu Wolf erzählt, daß er todsicher denken muß, ich wollte damit etwas anderes vertuschen. Ich glaube, er hat angebissen. Aber die Lage ist viel verzwickter, als du denkst. Weißt du, wo Wolfe Wolf ist?«
»Das weiß niemand. Nachdem der Rektor ihn – äh – getadelt hatte, verschwand er spurlos.«
Gloria lachte wieder. »Er ist hier. In diesem Zimmer.«
»Meine Teure! Geheimtüren und so weiter? Du nimmst deine Arbeit zu ernst. Wo?«
»Da!«
Professor Fearing war erschüttert. »Ist das dein Ernst?«
»Es ist mir damit genauso ernst wie dir mit der Zukunft des Marxismus. Das ist Wolfe Wolf.«
Fearing näherte sich ungläubig dem Wolf und streckte eine Hand aus.
»Vielleicht beißt er«, warnte Gloria eine Sekunde zu spät.
Fearing starrte auf seine blutende Hand. »Das zumindest«, stellte er fest, »ist die reine Wahrheit.« Und er hob den Fuß, um Wolf einen Tritt zu versetzen.
»Nicht, Oscar! Laß ihn in Ruhe. Du mußt mir einfach glauben – es ist eine zu komplizierte Geschichte. Aber dieser Wolf ist Wolfe Wolf, und er ist völlig in meiner Hand. Wir lenken den Verdacht auf ihn, und ich behalte ihn hier, während Fergus und die Abwehrleute auf die Jagd nach ihm gehen.«
»Meine Teure«, stieß Fearing hervor. »Du bist verrückt. Du bist viel verrückter als die frommen Mitglieder des Tempels.« Er nahm den Kneifer ab und starrte wieder auf den Wolf. »Und doch, Dienstag abend … Sag mir nur das eine: Von wem hast du diesen – diesen Wolf bekommen?«
»Von einem komischen kleinen Dicken mit Bartfransen.«
Fearing war vor Staunen starr.
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