7 Werwolfstories
hochintelligent war; daß Caroline, wie der arme Teufel in Andrejews Das rote Lachen, edelmütig und sanft gewesen war und niemandem etwas Böses gewünscht hatte. Doch jetzt war er von Haß erfüllt.
Er hatte natürlich Angst, genau wie Foote auch. Foote fragte sich, ob es ihm wohl je in den Sinn kommen würde, daß Gott vielleicht auf der Seite der Werwölfe stand.
Das war die Blasphemie eines erschöpften Gehirns; doch konnte er diesen Gedanken nicht loswerden. Wie nun, wenn Jarmoskowski seinen Trieb besiegte und sich versteckte, bis die sieben Tage um waren? Dann könnte er verschwinden. Schottland war groß und dünn besiedelt. Er hätte es dann nicht mehr nötig, seine Opfer zu töten – nur noch dann, wenn er wirklich Hunger hatte. Ein Biß hier, ein Kratzer dort…
Und von seinem Jagdgebiet aus würde sich der Kreis der Lykanthropie immer weiter ausdehnen, bis …
Vielleicht hatte Gott erkannt, daß die normale Menschheit nicht fähig war, die Welt zu regieren. Vielleicht hatte er beschlossen, den ›Nosferatu‹, den ›Untoten‹, eine Chance zu geben. Vielleicht stand die Menschheit an der Schwelle zu jener Finsternis, in die er die ganze letzte Nacht geblickt hatte.
Er biß die Zähne aufeinander und stieß einen Laut der Erbitterung über sich selbst aus. Wenn er so weitermachte, würden Schock und Erschöpfung ihn in denselben Zustand treiben, in dem Newcliffe jetzt war. Er wischte sich mit den Händen über die Stirn und ging in das kleine Arbeitszimmer.
Das Kaminfeuer war ausgegangen, und er hatte nichts da, um es wieder anzufachen. Trotzdem war das Zimmer wärmer, als es jetzt sein Bett sein würde. Er setzte sich an den kleinen Schreibtisch und schlug Lundgrens Buch auf.
Fallberichte über Stigmatisierte. Berichte über Hexensabbate wie sie Krafft-Ebing hätte schreiben können. Die Tanzwut. Die Theorie der Dienstbarkeit. Geisterbeschwörung und Geisteraustreibung. Der Besen als hermaphroditisches Symbol. Fräsers Gesetze. Die Beobachtungen von Luden Lery-Brühl. Der Fall Bertrand. Politischer Kommentar in Dracula. Nekromantie, Nekrophilie. Nordau über den magischen und den modernen Menschen. Die grundlegenden Riten der Anti-Kirche. Fetischismus und die Theorie über Talismane…
Weiter und weiter und weiter, und genauso unverständlich wie zuvor. Ohne Chris hatte er keine Hoffnung, sich dieses Material einzuverleiben. Jetzt waren die Gewehre mit den Silberkugeln die letzte Rettung; die Quelle des Wissens über das Phänomen, gegen das sie kämpften, war versiegt.
Foote blickte müde auf die Uhr auf dem Kaminsims. Seine ergebnislose Expedition durch das Buch hatte zwei Stunden gedauert. Er konnte es nicht länger aufschieben, in sein Zimmer zu gehen. Er erhob sich steif, nahm das Gewehr, knipste das Licht aus und ging hinaus in den kalten Korridor.
Als er an Doris’ Zimmer vorbeiging, sah er, daß die Tür einen schmalen Spalt offenstand. Im Zimmer murmelten zwei Stimmen.
Foote, der unheilbare Lauscher an der Wand, blieb stehen und hörte mit.
Erst Jahre danach fand Foote heraus, wie es angefangen hatte. Doris war von den Ereignissen des Tages physisch erschöpft; den unter Schockeinwirkung stehenden Newcliffe zu versorgen, ihn mit einem Löffel zu füttern, auf sein Brabbeln über Fallen und Brotmesser einzugehen und ihn endlich zu Bett zu bringen, hatte sie ausgelaugt. So war sie fast augenblicklich eingeschlafen. Es war ein tiefer, traumloser Schlaf, durch den sich jedoch eine vage, schwache Unterströmung der Verzweiflung zog. Als das leise Klopfen gegen die Fensterscheiben endlich in ihr Bewußtsein drang, hatte sie keine Ahnung, wie lange sie schon geschlafen hatte.
Sie setzte sich mühsam auf und
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