7 Werwolfstories
ich eine Sängerin mit einer verrosteten Sopranstimme begleiten. Sie war hochnäsig und drängte sich immer in den Mittelpunkt. Ich habe die Schleifen auf ihren Schuhen miteinander verknotet, so daß sie hinfiel, als sie sich das erstemal verbeugte, aber es war furchtbar schwierig, und ich habe vor Anstrengung geschwitzt.«
Foote unterdrückte einen Seufzer. »Wie haben Sie es gemacht?«
»Ich weiß nicht genau. Wahrscheinlich hätte ich es nie geschafft, wenn die Schlußnummer nicht ›Das Buch der hängenden Gärten‹ gewesen wäre.« Sie lächelte ein wenig. »Wenn Sie allerdings Schönbergs verrückten Kontrapunkt nicht kennen, wird Ihnen das nichts sagen.«
»Es sagt mir leider genug. Jetzt kann ich Sie bloß noch fragen, ob Sie jemals eine Frau in eine weiße Maus verwandelt haben oder auf einem Besenstiel durch die Luft geritten sind. Doris, fällt Ihnen denn gar nichts ein? Chris hat nie ins Leere hineingeredet; wenn er sagte, daß Sie uns helfen können, dann meinte er das. Aber er ist tot, und wir können ihn nicht mehr fragen. Jetzt hängt es von Ihnen ab.«
Sie brach in Tränen aus. Foote stand unbeholfen auf. Er hatte keine Ahnung, was er jetzt tun sollte.
»Doris…«
»Ich weiß nicht«; jammerte sie. »Ich bin keine Hexe! Ich habe nie eine Hexe sein wollen! Ich weiß nichts, überhaupt nichts, und ich bin müde und habe Angst, und bitte gehen Sie jetzt, bitte …«
Er wandte sich hilflos ab, wollte sich wieder umdrehen, und in dieser Sekunde ging ihr Klagen im Dröhnen eines Schnellfeuergewehrs unter, das von oben kam.
Foote raste aus dem Zimmer und die Treppen hinunter. Das Erdgeschoß schien unter dem Licht der einsamen Lampe verlassen dazuliegen. Von oben herab krachte wieder Gewehrfeuer; dann kam Bennington die Treppe heruntergesaust.
»Wir müssen heute nacht aufpassen«, keuchte er, als er Foote erblickte. »Er ist da. Ich habe gesehen, wie er in Wolfsgestalt aus dem Wald kam. Ich habe das ganze Magazin verschossen, aber gegen die Bäume war er nicht gut auszumachen, Als er sich zurückzog, habe ich nochmals zehn Runden geschossen, aber ich habe ihn bestimmt nicht getroffen. Gewehre sind nicht meine Stärke.«
»Von wo aus haben Sie geschossen?«
»Von der Turmstube aus.« Sein Gesicht war ernst und streng. »Ich ging ‘rauf, um noch mal Luft zu schnappen und einen Blick über die Gegend zu werfen, und da war er. Ich hoffe, daß er heute nacht noch einmal zurückkommt. Ich möchte derjenige sein, der ihn tötet.«
»Sie sind nicht der einzige.«
»Dafür sei Gott gedankt. Und jetzt gute Nacht. Halten Sie die Augen offen.«
Foote stand noch eine Weile im Dunkeln, nachdem Bennington verschwunden war. Bennington hatte ihn nachdenklich gemacht.
Währenddessen kam Doris vorsichtig die Treppe herunter. Sie trug einen kleinen, kompakten Gegenstand. Da er schon das Licht ausgeknipst hatte, konnte er nicht erkennen, was es war. Sie ging geradewegs in ihr Zimmer.
Ich will derjenige sein, der ihn tötet.
Selbst der gemäßigte Bennington konnte das jetzt sagen. Aber Foote, der das dahinterliegende Gefühl nur zu gut verstand, stellte zu seiner Überraschung fest, daß er es nicht teilen konnte.
Wie sollte man diese geschlagenen Menschen hassen? Warum war es für normale Menschen wie Bennington so schwer, sich klarzumachen, daß die Lykanthropie eine Krankheit wie jede andere war, die ihre eigene Ätiologie hatte und ihre Opfer ohne Ansehen der Person überfiel? Bennington stand in dem Ruf, durch und durch liberal zu sein; sicher brachte er es nicht übers Herz, einen Alkoholiker oder einen Rauschgiftsüchtigen zu hassen. Auch wußte er – und er war der erste gewesen, der darauf hingewiesen hatte –, daß Jarmoskowski als Mensch hilfsbereit, mitfühlend und
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