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7 Werwolfstories

7 Werwolfstories

Titel: 7 Werwolfstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. M. Schelwokat
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als er. Jetzt war er der Herr im Haus, und die Ver­ant­wor­tung für den nächs­ten To­des­fall wür­de auf ihm las­ten.
    Er ging im Zim­mer her­um, über­zeug­te sich, daß die Fens­ter ge­schlos­sen und die Kru­zi­fi­xe an ih­rem Platz wa­ren, und knips­te die Lam­pen aus. Der Knob­lauch fing an ran­zig zu wer­den – er stank wie Mer­cap­tan –, war aber, so­weit er es be­ur­tei­len konn­te, noch wirk­sam. Er ließ ei­ne Lam­pe bren­nen, nahm sein Ge­wehr und ging in den Kor­ri­dor hin­aus.
    Die Tür von Do­ris’ Zim­mer stand of­fen, doch fiel kein Licht­schim­mer her­aus. An­schei­nend war sie noch oben und küm­mer­te sich um Ne­w­clif­fe. Ein paar Mi­nu­ten stand er un­ent­schlos­sen da, dann zog er sich müh­sam die Trep­pe hin­auf.
    Er fand sie in Ca­ro­li­nes Zim­mer, den Kopf auf den Arm ge­legt, in­mit­ten der um­her­ge­streu­ten kost­ba­ren Do­sen und Fla­schen, die zu Ca­ro­li­nes kos­me­ti­schem In­ven­tar ge­hör­ten. Das Zim­mer war er­staun­lich ver­spielt ein­ge­rich­tet; selbst über dem Te­le­fon saß ei­ne Pup­pe. Dies war wohl der ein­zi­ge Raum ge­we­sen, den Ca­ro­li­ne als ih­re ur­ei­ge­ne Do­mä­ne be­trach­tet hat­te, wo die ath­le­ti­sche Guts­her­rin der sehr weib­li­chen Frau hat­te wei­chen müs­sen.
    Und was hat­te wie­der­um die an­mu­ti­ge Frau ver­jagt? War sie in ei­ne ent­fern­te Ecke ih­res Seins ge­drängt wor­den, als Ca­ro­li­ne von dem Un­tier, das sich in ihr ent­wi­ckel­te, mehr und mehr in Be­sitz ge­nom­men wur­de? Was spiel­te sich im Ge­hirn ei­nes Wer­wolfs ab?
    Ges­tern abend zum Bei­spiel, als sie Do­ris’ Haar bürs­te­te, war sie ihm ganz und gar wie die Ca­ro­li­ne Ne­w­clif­fe mit dem schö­nen Ge­sicht und dem lee­ren Ver­stand vor­ge­kom­men, für die er ei­ne ech­te Zu­nei­gung fühl­te. Aber da war sie schon im Be­sitz des an­de­ren. Sein Hals zog sich schmerz­haft zu­sam­men, als er sich be­wußt wur­de, daß in ih­rer müt­ter­li­chen Für­sor­ge schon et­was von der ge­spann­ten Auf­merk­sam­keit des Jä­gers ge­le­gen hat­te.
    Män­ner sind so hart­nä­ckig. Ist es nicht wun­der­voll, wie wich­tig Chris für uns ge­wor­den ist?
    In die­sem Au­gen­blick hat­te sich ihr Ziel von Do­ris zu Chris ver­la­gert, und das hat­te nur Foo­tes Be­mer­kung über sei­ne Un­fä­hig­keit be­wirkt, oh­ne die Hil­fe des Psych­ia­ters zu­recht­zu­kom­men. Heu­te abend hat­te er ge­sagt, daß Chris das lo­gischs­te An­griffs­ziel ge­we­sen sei, weil er der Ex­per­te war – doch das war Ca­ro­li­ne gar nicht klar zu Be­wußt­sein ge­kom­men, höchs­tens als Nach­ge­dan­ke. So ar­bei­te­te der Ver­stand ei­nes Wolfs; Ca­ro­li­ne selbst hat­te zu­erst nur die Ge­fahr er­kannt, die in der Hart­nä­ckig­keit lag.
    Und es war Ca­ro­li­ne, die Frau, und nicht der Wolf ge­we­sen, die Do­ris ur­sprüng­lich als ers­tes Op­fer aus­er­ko­ren hat­te. Schließ­lich war Do­ris, dank Toms Vor­lie­be für mas­ku­li­ne Sport­ar­ten und sei­ner Ab­nei­gung ge­gen mo­der­ne Mäd­chen, die ein­zi­ge an­de­re Frau auf der Par­ty ge­we­sen; und Ca­ro­li­ne hat­te er­wähnt, daß Tom sich zu Do­ris hin­ge­zo­gen fühl­te. Wo fing der Wolf an, wo hör­te der Mensch auf? Oder wa­ren bei­de in­ein­an­der ver­schmol­zen wie zwei ur­sprüng­li­che harm­lo­se Sub­stan­zen, de­ren Ver­bin­dung gif­tig ist? Frü­her war Ca­ro­li­ne zur Ei­fer­sucht nicht fä­hig ge­we­sen, aber als das Übel ihr Blut ver­seuch­te, war sie nicht mehr nur sie selbst ge­we­sen.
    Er seufz­te. Do­ris, die fest zu schla­fen ge­schie­nen hat­te, rühr­te sich, und als er über die Schwel­le trat, fuhr sie auf. Ih­re Au­gen wa­ren ge­rötet und hat­ten einen merk­wür­di­gen Aus­druck.
    »Ent­schul­di­gen Sie«, sag­te er, »aber ich ha­be Sie ge­sucht. Ich muß mit Ih­nen re­den, Do­ris. Bis jetzt ha­be ich es im­mer wie­der auf­ge­scho­ben, aber jetzt kann ich das nicht mehr län­ger. Darf ich?«
    »Ja, na­tür­lich, Paul«, sag­te sie mü­de. »Ich ha­be mich Ih­nen ge­gen­über schä­big be­nom­men. Es ist zwar et­was spät für ei­ne Ent­schul­di­gung, aber ich möch­te sa­gen, daß es mir leid tut.«
    Er lä­chel­te.

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