7 Werwolfstories
zurückzuziehen, wo kein menschliches Ohr sie mehr hören konnte. Jarmoskowski stand schweigend im Mondlicht, seine Augen loderten in tiefem, blutigem Rot.
Doris sagte: »Jan – Jan, es tut mir leid, es tut mir so leid! Was kann ich tun?«
»Schieß!«
»Ich – kann nicht!«
»Bitte, Doris.«
Das Mädchen schluchzte laut. »Jan – nicht! Ich kann nicht. Du weißt, daß ich es nicht kann. Geh, bitte geh!«
Jarmoskowski sagte: »Dann komm mit mir, Doris. Mach das Fenster auf und komm mit mir.«
»Wohin?«
»Ist das so wichtig? Du hast mir den Tod verweigert, um den ich bat. Kannst du mir diese letzte verzweifelte Hoffnung auf Liebe verweigern, kannst du deine eigene Liebe verleugnen, deinen innerlichsten Wunsch? Das wäre abscheulich grausam.
Es ist jetzt zu spät, zu spät für dich, um vorzugeben, daß dich vor mir ekelt. Komm mit mir.«
Er streckte seine Hände aus.
»Sag Lebewohl«, bat er. »Lebewohl zu diesen selbstgerechten Menschen. Ich gebe dir von meinem Blut, und zusammen wollen wir die Welt durchstreifen, wild und unzähmbar, die letzten unserer Rasse. Man wird lange an uns denken, das verspreche ich dir.«
»Jan …«
»Ich bin hier. Komm jetzt.«
Wie eine Schlafwandlerin öffnete sie die Fensterflügel. Jarmoskowski regte sich nicht, sondern sah von ihr zum Kruzifix. Sie löste den Faden und ließ es auf den Boden klirren.
»Nach uns soll es keine Dunkelheit geben, die mit unserer Dunkelheit verglichen werden kann«, sagte Jarmoskowski. »Laß sie ruhen – laß die Welt ruhen.«
Er sprang mit so plötzlicher raubtierhafter Kraft ins Zimmer, daß man die Bewegung kaum wahrnehmen konnte. Von der Tür her hämmerte mit dämonischer Wildheit ein Schnellfeuergewehr. Die Wucht der Silberkugeln warf Jarmoskowski gegen das Fenster zurück. Foote senkte die rauchende Mündung und machte einen Schritt ins Zimmer.
»Zu spät, Jan«, sagte er steinern.
Doris jammerte auf wie ein Kind, das aus einem bösen Traum erwacht. Jarmoskowskis Lippen bewegten sich, doch konnte er nicht mehr sprechen. Die Anstrengung ließ blutigen Schaum vor seinen Mund treten. Noch eine Sekunde lang stand er aufrecht da und streckte eine Hand nach dem Mädchen aus. Dann verkrampften sich seine Finger, und er sackte zusammen.
Er lächelte und starb.
»Weshalb ist er ins Zimmer gekommen?« flüsterte Foote. »Ich hätte ihn nie getroffen, wenn er draußen geblieben wäre.«
Er wandte sich an das schluchzende Mädchen. »Doris, Sie müssen es mir sagen, wenn Sie es wissen. Mit seinen scharfen Ohren hätte er meine Atemzüge hören müssen. Aber er blieb – und er kam herein, direkt in meine Schußlinie. Warum?«
Das Mädchen antwortete nicht. Statt dessen ging sie mit steifen Schritten, als ob sie plötzlich eine alte Frau geworden wäre, zur Nachttischlampe und knipste sie an. Unter der Lampe stand eine groteske Figurine, in der Foote kaum Carolines Telefonpuppe erkennen konnte. Alle Rüschen waren abgerissen, und über die blanke Stirn war ein schwerer schwarzer Strich gezogen, der Jarmoskowskis dicke Augenbrauen imitieren sollte. An einem Handgelenk waren mit einem Gummiband die Hautfetzen befestigt, die Newcliffe aus der Falle geschabt hatte. Und um die Puppe herum war auf der Tischplatte mit Lippenstift ein Pentagramm gezeichnet.
Die werdende Hexe hatte sich von der weißen der schwarzen Magie zugewandt. Doris hatte die unheilvolle Kunst des Puppenzaubers wiederentdeckt und ihren teuflischen Geliebten vernichtet.
Voll Mitleid wandte Foote sich zu ihr um; und ganz langsam, als würde sie von den Kräften eines fernen Planeten bewegt, schwang die Mündung des Gewehrs mit. Zusammen warteten der Mann und die Waffe auf sie.
Beide würden Geduld haben müssen.
Robert Bloch Eine
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