7 Werwolfstories
Wald deinen Nacken begeifert…«
»Nein! Hör auf! Bitte, nicht jetzt – ich halte es nicht mehr aus!«
Violet schluchzte. Ich tröstete sie ungeschickt.
»Entschuldige. Du bist schon überreizt genug. Wir wollen das Ganze vorerst vergessen, Liebes, und abwarten, bis du dich stark genug fühlst. Jetzt ruhe dich ein bißchen aus.«
Ich tätschelte ihre Schulter und begleitete sie ins Schlafzimmer.
Wir zogen uns aus und gingen zu Bett. Ich drehte den Docht herunter, und die Lampe ging aus.
Es war ganz dunkel, bis auf das Mondlicht, das durch die Baumwipfel drang. Der See war wie von silbrigem Feuer erhellt, aber ich wandte mich um, denn ich wollte rasch einschlafen.
Violet lag zuerst verkrampft neben mir, aber bevor ich einschlief, fühlte ich noch, wie sie sich langsam entspannte.
Ich weiß nicht, wie spät es war, als ich aufwachte. Violets Finger krallten sich in meine Schulter, und ich hörte, wie sie scharf den Atem einzog.
»Horch, Charles!« keuchte sie.
Ich lauschte.
»Hast du es gehört? Draußen – wie es an der Tür kratzt?«
Ich schüttelte den Kopf.
»Wach auf, Charles, du mußt es doch hören! Erst hat es unter den Fenstern herumgeschnüffelt, und jetzt scharrt es an der Tür. So tu doch was!«
Ich schwang mich aus dem Bett und griff nach ihrem Arm.
»Los«, sagte ich, »gehen wir nachsehen.«
Auf der Suche nach der Taschenlampe stolperte ich gegen einen Stuhl.
»Es rennt weg!« schluchzte Violet. »Beeil dich!«
In einer Hand die Taschenlampe haltend, zerrte ich Violet durchs Zimmer zur Tür. Dort ließ ich sie los und öffnete das Schloß.
Die Tür schwang auf. Ich ließ den Lichtstrahl in weitem Bogen spielen. Auf der Lichtung vor der Hütte regte sich nichts.
Dann leuchtete ich den Boden vor unseren Füßen ab.
Violet schrie auf.
»Da, Charles! Da, vor dem Eingang! Siehst du die Spuren nicht – die Spuren vor der Tür?«
Ich sah hin.
Und dort, klar in den weichen Erdboden eingedrückt, waren unverkennbar die Pfotenabdrücke eines riesigen Wolfs.
Ich wandte mich um und sah Violet lange schweigend an. Dann schüttelte ich den Kopf.
»Nein, Liebes«, flüsterte ich. »Du täuschst dich. Ich sehe nichts. Gar nichts.«
Am nächsten Morgen blieb Violet im Bett liegen, während ich zum Dorf ging, um Lisa zu besuchen.
Lisa lebte mit ihrem Vater in der Nähe der Kreuzung. Der alte Mann war gelähmt, und sie ernährte ihn durch indianische Perlstickarbeiten und Korbflechterei für die Touristen.
So lernte ich sie im vergangenen Monat kennen, als ich allein herkam. Ich blieb an dem Verkaufsstand am Straßenrand stehen und wollte ein Armband für Violet kaufen.
Dann sah ich Lisa und vergaß alles andere.
Lisa war halb Indianerin, halb Göttin.
Ihr Haar war schwarz. Man konnte sich keine tiefere, glänzendere Schwärze vorstellen – bis man ihr in die Augen sah. Ihre Augen waren zwei ovale Fenster, die sich in die Nacht öffneten. Ihr feines Gesicht schien aus matt glänzendem Kupfer modelliert zu sein. Ihr Körper war schlank und kräftig, aber er schien zu schmelzen, wenn man sie in den Armen hielt.
Das konnte ich sehr bald feststellen. Und zwar zwei Tage, nachdem ich sie zum erstenmal gesehen hatte.
Ich hatte es gar nicht so eilig gehabt. Aber Lisa war halb Indianerin, halb Göttin.
Verführerisch wie die Nacht, die mit ihrem Duft die dunkle Pracht von Lisas Haar parfümierte – unergründlich wie der rätselhafte Blick ihrer Augen –, die ganze heidnische Perfektion ihres Körpers war Instinkt, gepaart mit Sünde.
Sie bot mir die bittersüße Korruption der uralten und verbotenen Frucht der Lilith dar. Sie kam in einer mondlosen Nacht zu mir, schweigsam wie ein Buhldämon, und ich labte mich an der Nacht und an der Finsternis.
Als Violet eintraf, hörten unsere Zusammenkünfte auf. Ich sagte Lisa, daß wir vorsichtig sein müßten,
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