7 Werwolfstories
möchtest, daß ich an deinen klaren Verstand glaube, dann mußt du mir schon beweisen, daß man dich ein paar Stunden allein lassen kann, ohne daß du einen Nervenzusammenbruch bekommst.«
»Charles …!«
Ich ging zur Tür und öffnete sie. Sie zuckte zusammen, als das silberne Mondlicht ins Zimmer drang. Ich stand da und lächelte sie an.
»Violet, ich bin überaus nachsichtig mit dir gewesen. Aber wenn du nicht zum Arzt gehen willst, darauf bestehst, hierzubleiben, und dich weigerst zuzugeben, daß du geistesgestört bist, dann beweise, daß du recht hast.«
Ich wandte mich um, trat hinaus, warf die Tür hinter mir zu und ging rasch den Pfad hinunter.
Es war eine herrliche Nacht, und ich atmete die Luft in tiefen Zügen ein, während ich zu der knapp zwei Kilometer entfernten Kreuzung wanderte.
Die Ungeduld trieb mich voran. Ich hatte es eilig, mein Ziel zu erreichen. In Wirklichkeit wollte ich gar nicht zu Leons Taverne.
Ich ging zu Lisa.
Lisas kleine Hütte war dunkel, und ich fragte mich, ob sie zu Bett gegangen sei. Ihr alter Vater schlief schon, das wußte ich. Von ihm war keine Störung zu erwarten.
Während ich auf die Hütte zuging, hatte ich bereits beschlossen, Lisa aufzuwecken, falls sie bereits schlief. Eine solche Nacht war nicht zum Schlafen geschaffen.
Kurz vor der Tür ließ mich ein plötzliches Geräusch anhalten. Die Tür öffnete sich langsam. Unwillkürlich trat ich in den Schatten zurück, als eine Gestalt erschien.
»Lisa!« flüsterte ich.
Sie drehte sich um und kam zu mir.
»So hattest du also dieselbe Idee«, murmelte ich, als ich sie in die Arme nahm. »Komm, machen wir, daß wir von hier wegkommen. Laß uns zum Strand gehen.«
Schweigend ging sie neben mir her, als ich sie den Weg zum Wasser führte.
Lange Zeit blickten wir zum Mond hinauf. Dann, als sich meine Arme fester um sie schlössen, wandte sich Lisa zu mir und schüttelte den Kopf.
»Nein, Charles. Ich muß jetzt gehen.«
»Wohin?«
»Ich habe in der Nähe der Kreuzung etwas zu erledigen.«
»Das kann warten.«
Ich umschloß ihr Gesicht mit meinen Händen, um sie zu küssen. Sie wich zurück.
»Was ist los, Lisa?«
»Laß mich in Ruhe!«
»Ist etwas nicht in Ordnung?«
»Es ist alles in Ordnung. Geh, Charles.«
Ich starrte sie verblüfft an. Und sah, daß ihr Gesicht unnatürlich gerötet war, die Augen hektisch glänzten und ihr Mund eher protestierend als in Erwartung meiner Zärtlichkeiten geöffnet war.
Sie sah mich nicht an. Sie sah durch mich hindurch zum Mond hin. Ein Zwillingsmond spiegelte sich in ihren Augen. Die beiden Monde schienen sich auszudehnen, zu wachsen und dann die dunkelroten Pupillen durch silberne Feuerkugeln zu ersetzen.
»Geh weg, Charles«, stieß sie hervor. »Geh – schnell!«
Aber ich blieb.
Schließlich erlebt man nicht jeden Tag das ungewöhnliche Schauspiel einer lykanthropen Metamorphose. Und hier sah ich, wie eine Frau sich in einen Wolf verwandelte.
Das erste Anzeichen war der veränderte Atemrhythmus. Aus dem Atmen wurde ein Keuchen, aus dem Keuchen ein heiseres Schnaufen. Ich beobachtete, wie ihr Busen sich hob und senkte, hob und senkte, hob und senkte und – sich verwandelte.
Ihre Schultern fielen nach vorn ab. Der Körper schien sich nicht niederzuducken, sondern förmlich schräg wegzuwachsen. Die Armstellung verschob sich.
Lisa lag jetzt auf dem Boden. Sie krümmte und wand sich bald im Schatten, bald im Mondlicht. Aber ihre Haut schimmerte nicht mehr. Sie wurde dunkler, gröber und bedeckte sich mit Haarbüscheln.
Ihre Bewegungen waren wie die einer Kreißenden, und in gewisser Hinsicht waren es Preßwehen. Sie gebar eine neue Form ihrer selbst. Die Qual und das Zucken ihres Körpers waren reine Reflexe.
Es war faszinierend zu sehen, wie ihr Schädel sich veränderte, als ob
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