7 Werwolfstories
und sie lachte.
»Gut. Für eine kleine Weile«, stimmte sie zu.
»Eine kleine Weile?«
Lisa nickte, ihre Augen funkelten. »Ja. Solange deine Frau noch am Leben ist.«
Sie sagte das ganz selbstverständlich. Und dann wurde mir bewußt, daß es tatsächlich eine selbstverständliche Bemerkung war; denn sie war logisch und entsprach der Wahrheit.
Ich wollte Violet nicht mehr. Ich wollte dieses andere – dieses andere, das weder Liebe noch Lust war, sondern die Vermählung meiner Seele mit dem absolut Bösen.
Und wenn ich das wollte, mußte Violet sterben.
Ich sah Lisa an und nickte. »Willst du, daß ich sie töte?« fragte ich.
»Nein. Es gibt andere Mittel und Wege.«
»Indianischen Zauber?«
Noch vor einem Monat hatte ich über die bloße Andeutung gelacht. Aber heute, da ich Lisa kannte, sie in meinen Armen gehalten hatte, wußte ich, daß diese Andeutung wohlbegründet war.
»Nein. Nicht direkt. Was würdest du sagen, wenn deine Frau nicht sterben müßte? Was würdest du sagen, wenn sie weggehen müßte?«
»Du meinst, wenn sie mich verlassen würde – sich scheiden ließe?«
»Ich sehe, du verstehst mich nicht. Gibt es nicht Häuser, in denen man Verrückte einsperrt?«
»Violet ist nicht verrückt. Sie ist sogar sehr ausgeglichen. Es müßte schon etwas Besonderes sein, daß sie in den Wahnsinn treiben könnte.«
»So etwas wie der Anblick von Wölfen?«
»Von Wölfen?«
»Ein Wolf wird hinter deiner Frau herlaufen. Er wird sie plagen, sie quälen, sie verfolgen, wenn sie allein ist. Sie wird dich um eine Erklärung und um Hilfe bitten. Du mußt dich weigern, ihr Glauben zu schenken. Es wird nicht lange dauern, bis ihr Geist…«
Lisa zuckte mit den Schultern.
Ich fragte sie nichts. Ich akzeptierte nur, was sie gesagt hatte. Falls Lisa in den Wald ging und die Schamanen konsultierte oder Gebete zu den Mächten der Finsternis flüsterte, so wußte ich nichts davon.
Ich wußte nur, daß ein Wolf erschien und meine Frau verfolgte. Und ich gab vor, nichts zu hören und nichts zu sehen. Es kam so, wie Lisa es prophezeit hatte. Violet verlor den Verstand. Irgendwie hatte sich in ihrem Gehirn die Vorstellung eingenistet, ihre nächtliche Nemesis sei ein Werwolf. Um so besser. Sie war auf dem besten Weg, wahnsinnig zu werden.
Und Lisa wartete und lächelte ihr verstohlenes Lächeln.
An diesem Morgen wartete Lisa auf mich in dem kleinen Verkaufsstand an der Kreuzung.
Im hellen Sonnenlicht wirkte sie wie eine einfache indianische Perlstickerin. Nur wenn ihr Gesicht vom Schatten verschleiert war, sah ich ihre Augen und ihr Haar, schwarz und unergründlich wie ihr eigenes innerstes Wesen.
Sie legte eine Hand auf meinen Arm, und eine Welle aus Eis und Feuer lief mir die Wirbelsäule entlang.
»Und wie geht es deiner Frau?« flüsterte sie.
»Nicht besonders. In der letzten Nacht fand sie Wolfsspuren vor unserer Tür. Sie bekam einen hysterischen Anfall.«
Lisa lächelte.
»Sie glaubt, es sei ein Werwolf, weißt du. Ich wünschte, du würdest mir die Wahrheit sagen, Liebling. Wie bringst du den Wolf dazu, in Erscheinung zu treten und ihr zu folgen?«
Lisa lächelte.
Ich seufzte.
»Ich sollte wohl nicht so neugierig sein.«
»So ist es, Charles. Genügt es dir nicht, daß unser Plan funktioniert. Daß Violet den Verstand verliert? Daß sie bald fort sein wird und wir zusammen sein können – für immer?«
Ich sah sie groß an. »Ja, es genügt. Aber verrate mir, wie es weitergehen soll.«
»Deine Frau wird den Wolf sehen. Wirklich sehen. Sie wird von Angst überwältigt sein. Du wirst dich wie bisher weigern, ihr Glauben zu schenken. Dann wird sie sich an die Behörden wenden. Sie wird ins Dorf gehen und versuchen, die Leute zu überzeugen. Jeder wird sie für verrückt halten. Und wenn man dich fragt, weißt du von
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