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7 Werwolfstories

7 Werwolfstories

Titel: 7 Werwolfstories Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: G. M. Schelwokat
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die Hän­de ei­nes un­sicht­ba­ren Bild­hau­ers den le­ben­den Ton kne­te­ten und mo­del­lier­ten und die Kno­chen­struk­tur in ei­ne neue Form drück­ten.
    Der lan­ge Kopf schi­en einen Mo­ment lang wun­der­lich kahl zu sein, dann sprang das fei­ne Fell hoch, die Oh­ren stell­ten sich nach au­ßen, und ih­re ro­sa Spit­zen zuck­ten an ei­nem ver­dick­ten Hals ent­lang.
    Die Au­gen stell­ten sich schräg, wäh­rend sich die Zü­ge ih­res Ge­sichts ver­krampf­ten und in ei­ne lan­ge Schnau­ze ver­wan­del­ten. Das un­frei­wil­li­ge, mas­ken­haf­te Grin­sen wur­de zu ei­nem dro­hen­den Flet­schen, und dann spran­gen die Zäh­ne her­vor.
    Die Klei­dung war von ihr ab­ge­fal­len, und ich konn­te die Um­wand­lung ih­rer Glie­der se­hen, als sie sich ver­kürz­ten, mit Fell be­deck­ten und sich wie­der streck­ten. Die Hän­de, die in höchs­ter Pein in der Er­de ge­scharrt hat­ten, wur­den zu Pfo­ten.
    Der gan­ze Pro­zeß dau­er­te rund drei und ei­ne hal­be Mi­nu­te. Ich weiß es, denn ich ha­be auf die Uhr ge­se­hen.
    O ja, ich ha­be die Zeit ge­nau ge­stoppt. Ich hät­te ei­gent­lich Angst ha­ben sol­len. Aber nicht je­dem Men­schen bie­tet sich die Ge­le­gen­heit, zu­zu­schau­en, wie aus ei­ner Frau ein Wolf wird. Ich be­trach­te­te die Trans­for­ma­ti­on so­zu­sa­gen mit pro­fes­sio­nel­lem In­ter­es­se. Die Fas­zi­na­ti­on ver­dräng­te die Angst.
    Jetzt war die Ver­wand­lung be­en­det. Der Wolf stand vor mir, sprung­be­reit und keu­chend.
    Jetzt ver­stand ich na­tür­lich al­les. Ver­stand, warum Li­sa so we­ni­ge Be­kann­te hat­te, warum sie so vie­le Aben­de al­lein ver­brach­te, warum sie mich ge­drängt hat­te, weg­zu­ge­hen – und warum sie das Ver­hal­ten des Phan­tom­wolfs so si­cher vor­aus­sa­gen konn­te.
    Ich stand da und lä­chel­te.
    Die wil­den Au­gen blick­ten mich fle­hend an. Ich neh­me an, sie hat­te er­war­tet, daß ich Schreck, Furcht oder zu­min­dest Ab­scheu zei­gen wür­de.
    Mein Lä­cheln war ei­ne un­er­war­te­te Ant­wort. Aus dem fellbe­deck­ten Hals stieg ein Win­seln em­por, das sich fast zu ei­nem Schnur­ren stei­ger­te. Jetzt war sie be­ru­higt.
    »Du soll­test dich auf den Weg ma­chen«, wis­per­te ich.
    Sie zö­ger­te noch. Ich bück­te mich und tät­schel­te den Kopf, der vom Schweiß der über­stan­de­nen Pein noch feucht war. »Es ist ja al­les gut«, sag­te ich. »Ich ver­ste­he, Li­sa. Du kannst mir ver­trau­en. Und es än­dert nichts an mei­nen Ge­füh­len.«
    Das Schnur­ren erstarb in der zot­ti­gen Brust des rie­si­gen Wolfs.
    »Los, be­ei­le dich«, re­de­te ich ihr zu. »Vio­let ist ganz al­lein. Du hast ver­spro­chen, sie zu über­ra­schen.«
    Das graue Tier wand­te sich um und trot­te­te auf den Wald zu.
    Ich ging zum See hin­un­ter und sah dem Spiel der Mond­strah­len auf der Was­sero­ber­flä­che zu.
    Schlag­ar­tig brach die ver­zö­ger­te emo­tio­nel­le Re­ak­ti­on über mich her­ein. Al­les war klar – zu klar.
    Ich hat­te mich mit ei­nem Mäd­chen ver­bün­det, um mei­ne Frau in den Wahn­sinn zu trei­ben. Das Mäd­chen war selbst nicht ganz nor­mal. Und jetzt hat­te ich er­fah­ren, daß sie ein Wer­wolf war. Viel­leicht war auch ich leicht ver­rückt.
    Aber so war die La­ge, und ich wuß­te kei­nen Aus­weg. Ich konn­te nicht mehr zu­rück. Al­les wür­de sich plan­ge­mäß ent­wi­ckeln. Und schließ­lich wür­de ich ha­ben, was ich woll­te. Aber – woll­te ich es noch?
    Plötz­lich brach ein Schluch­zen aus mir her­aus.
    Es war we­der Reue noch Selbst­be­mit­lei­dung, noch Furcht. Es war nur ein Ge­dan­ke, der mich über­fal­len hat­te – die Vor­stel­lung, daß ich Li­sa in den Ar­men hielt und spür­te, wie sie sich ver­wan­del­te; daß ich Li­sas ro­te Lip­pen küß­te und sich plötz­lich die Schnau­ze ei­nes Wolfs ge­gen mei­nen Mund preß­te.
    Mein Schluch­zen wur­de von ei­nem Ge­heul un­ter­bro­chen, das aus der Tie­fe des Wal­des höh­nisch zu mir drang.
    Ich hielt mir die Oh­ren zu und schau­der­te.
    Plötz­lich fand ich mich wie­der, wie ich durch den Wald rann­te. Ich konn­te jetzt kein Ge­heul mehr hö­ren, doch das Keu­chen mei­ner Atem­zü­ge dröhn­te in mei­nen Oh­ren. Ich rann­te wie

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