711 N. Chr. - Muslime in Europa
Friedens«, dem späteren Bagdad, abgeschlossen. Am 7. Oktober 775 starb al-Mansur auf einer Pilgerfahrt in Mekka. Der Abbasiden-Dynastie war ein längeres Überleben beschieden als den Omaijaden. Obwohl sich die riesige islamische Welt zunehmend als von nur einer Zentrale aus unregierbar erwies und die Machte der Abbasiden infolgedessen ständig zurückging, hielten sie sich bis zur Ankunft der Mongolen Mitte des 13. Jahrhunderts im Kalifat.
Nur einer der Omaijaden entkam dem Gemetzel: Abd ar-Rachman ibn Mu’awiya, ein Enkel Kalif Hischams II. von Syrien, war nach Nordafrika geflohen. Dank seiner berberischen Abstammung fand er dort Zuflucht und Unterstützung. Vier Jahre nach den blutigen Ereignissen in Damaskus schloss sich Abd ar-Rachman, |73| dem die islamische Geschichtsschreibung den bezeichnenden Beinamen »der Flüchtling« (arab.
ad-Dachil
) verlieh, einer Gruppe von Konvertiten an, die auf die Iberische Halbinsel übersetzten.
Fernab von der Levante hatten die Omaijaden noch immer Gewicht. Mit Unterstützung seiner Anhänger gelang es Abd ar-Rachman (756–788) im Jahre 756, kleinere arabische Herrschaftsgebiete im Emirat von Córdoba unter seiner Oberhoheit zu vereinen. Nahezu dreihundert Jahre bestimmten die Omaijaden die Geschicke von al-Andalus von Córdoba aus. Doch der neue Emir musste sich gleich an mehreren Fronten verteidigen: gegen unzufriedene Kräfte im Inneren und solche, die sogar um Unterstützung im christlichen Nachbarreich warben. Hunderte von Kilometern entfernt von der Sonne Andalusiens, im kalten Westfalen, tauchten fremdartig gekleidete Männer auf. Ihr Besuch galt dem mächtigen Frankenherrscher Karl dem Großen.
Hinterhalt bei Roncesvalles – blutiges Ende des spanischen Abenteuers
Paderborn, 777. Neugierig drehen sich die Menschen um und tuscheln miteinander. Solche Fremden haben sie hier in Paderborn noch nie gesehen. Gut, immer wenn der fränkische Herrscher Karl seiner Pfalz einen Besuch abstattete, kamen illustre Gäste, aber diese sind sonnenverbrannt und höchst eigentümlich gewandet. Die Fremden haben einen langen Weg hinter sich. Leider wissen wir nichts über die Dauer ihrer Reise, die Reiseroute oder mögliche Schwierigkeiten, die der arabischen Gesandtschaft unter Führung eines gewissen Sulaiman Ibn al-Arabi, Statthalter von Zaragoza, unterwegs begegneten. Auch ist nichts Näheres über die Abgesandten selbst bekannt, die 777 unvermittelt auf der Reichsversammlung zu Paderborn erschienen, doch wir kennen ihre Mission. Es ging darum, den Frankenherrscher zu einem Feldzug gegen das Emirat von Córdoba zu bewegen. Man mag sich fragen, wie die Araber ihr Anliegen vortrugen – in der westfälischen Provinz wird niemand des Arabischen mächtig gewesen sein. Oder gehörte der Gesandtschaft ein zum Islam übergetretener Christ an, der Latein beherrschte. Oder hatte die Delegation |74| einen jüdischen Dolmetscher bei sich. Juden, die als Fernhändler zwischen Morgen- und Abendland reisten, beherrschten oft viele Sprachen. Dass sie für wichtige diplomatische Missionen eingesetzt wurden, belegt nicht zuletzt die fränkische Gesandtschaft zum Abbasidenkalifen Harun ar-Raschid einige Zeit später, der auch ein Jude namens Isaak angehörte.
Wir wissen nicht, ob Karl sofort zusagte oder ob er zögerte, eine Intervention zu wagen. Immerhin galt es zunächst die sächsischen Angelegenheiten zu ordnen. Mit Blick auf den weiteren Verlauf des spanischen Abenteuers scheint es zumindest fraglich, ob die Franken die Gegebenheiten auf der Iberischen Halbinsel einigermaßen zutreffend einschätzten. Will man den überarbeiteten Reichsannalen glauben, machten die Araber allerdings ein verlockendes Angebot, das auf Karl so gewirkt haben dürfte, als sei eine Herrschaftserweiterung ohne großen militärischen Aufwand möglich: Sulaiman Ibn al-Arabi unterstellte die von ihm beherrschten Städte Barcelona und Gerona dem fränkischen Herrscher. Karls Motivation, sich auf eine militärische Unternehmung jenseits der Pyrenäen einzulassen, dürfte widerspiegeln, wenn die gleiche Quelle auf seine Hoffnung verweist, einige Städte der Iberischen Halbinsel einnehmen zu können. Bei diesem Unternehmen kam noch der religiöse Aspekt hinzu: Laut »Metzer Annalen« folgte Karl der Große einem Hilferuf der Christen, die vorgaben, unter dem Joch der Mauren zu leiden, was jedoch kaum die ganze Wahrheit sein dürfte, denn die Christen genossen unter muslimischer Herrschaft zwar nicht den gleichen
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