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711 N. Chr. - Muslime in Europa

711 N. Chr. - Muslime in Europa

Titel: 711 N. Chr. - Muslime in Europa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Kay Peter Jankrift
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entgegen den Bestimmungen des
dimma
-Rechts, wonach kein Muslim unter der Gewalt eines Ungläubigen stehen sollte, immer wieder Juden in Schlüsselpositionen im Umfeld des Herrschers. Die Einschätzung mancher Historiker, dass sich die Juden im 8. Jahrhundert in Ermangelung einer administrativen Infrastruktur die Herrschaft über Toledo mit den Muslimen teilten, geht aber gewiss zu weit. Eher füllten wohl Konvertiten die Ränge. Die Zahl der
muwalladun
nahm langsam, aber stetig zu. Allerdings stieg der Zahl der Konversionen wohl erst nach dem vollständigen Ausbau der islamischen Verwaltungs- und Herrschaftsstrukturen in größerem Maße an. Wer in der Gesellschaft aufsteigen, Ämter bekleiden oder die prunkvollen Bäder besuchen wollte, musste sich zum Islam bekehren. Zu dieser Zeit verfestigte sich der Islam auch unter den nordafrikanischen Berbern.
    Die
muwalladun
von al-Andalus bereiteten den islamischen Herrschern Probleme eigener Art. In verschiedenen Städten, so auch in Toledo, kam es während des 9. Jahrhunderts zu Aufständen, die von Konvertiten angeführt wurden und sich gegen die Herrschaftsgewalt in Córdoba richteten. Unter anderem mochten sich die bereits seit längerem zum Islam übergetretenen
muwalladun
nicht damit abfinden, dass Emir Muhmmad I. (852–886) frischen Konvertiten das Recht einräumte, umgehend Ämter zu bekleiden.
    Die Verwandlung der iberischen in islamische Städte zeigt sich am deutlichsten |87| darin, dass allmählich die typischen Bauten das Stadtbild beherrschen, so zum Beispiel eine Hauptmoschee mit »Kanzel« (arab.
minbar
). Daneben tritt der islamische Verwaltungsapparat in Erscheinung, so die islamische Gerichtsbarkeit, vertreten durch einen Kadi, und ein Herrschaftszentrum, repräsentiert durch die Residenz eines Statthalters. Hinzu kommen mindestens ein Markt, der an allen Tagen öffnet und wesentlich zur Wirtschaftskraft der Stadt beiträgt, sowie mehrere Wohnviertel, die ihrerseits über kleinere Gotteshäuser wie auch Märkte und Bäder verfügen können und in denen sich ein Großteil des städtischen Lebens abspielt.
    Im islamischen Toledo zeigen sich diese Strukturen seit der ersten Hälfte des 10. Jahrhunderts besonders deutlich. Im Nordosten der Stadt befand sich der Alcázar, die befestigte Residenz, mit deren Bau unter dem Kalifat Abd ar-Rachmans III. (Emir 912–929, Kalif 929– 961) begonnen wurde. Von der Befestigungsanlage an strategisch wichtigem Punkt ließ sich die Brücke von Alcántara über den Tajo kontrollieren. Doch schon vor diesem großzügigen Ausbau existierte in der Stadt eine Residenz, die bereits Zerstörung und Wiederaufbau durch Abd ar-Rachm n II. (822–852) erlebt hatte. Westlich der Befestigung erstreckte sich der Markt von Zocodover. In der Mitte der Stadt erhob sich die Große Moschee, die Mezquita Mayor, um die herum sich in einiger Entfernung verschiedene kleinere muslimische Gotteshäuser gruppierten. Die Friedhöfe der Glaubensgemeinschaften lagen zumindest zur Zeit der islamischen Herrschaft außerhalb der nördlichen Stadtmauer. Die Muslime begruben ihre Verstorbenen offenbar in den Ruinen des einstigen römischen Circus. Die mozarabischen Christen nutzten den weiter südlich gelegenen Kirchhof von San Ildefonso. In einiger Entfernung von der Stadt – westlich des Hauptverkehrsweges nach Saragossa – lag der jüdische Friedhof.
    Das jüdische Wohnviertel, die
Madinat al-Yahud,
im Süden der Stadt ist |88| durch seine Ummauerung von den übrigen Quartieren getrennt. Die räumliche Abtrennung eines jüdischen Wohnbezirks ist ansonsten für keine islamische Stadt in al-Andalus belegt. Die Gründe für den Bau der Umfassungsmauer im Jahre 820 liegen im Dunkeln. In der Forschung wird gestützt auf den späten Bericht des Ibn Hayyan (987–1076) häufig darauf verwiesen, der gegen Córdoba rebellierende Statthalter von Toledo, Ibn al-Qatil, habe deren Errichtung angeordnet, weil er die Loyalität der Juden gegenüber der omaijadischen Herrschaft fürchtete und glaubte, die Gemeinschaft so besser unter Kontrolle halten zu können. Wenn man von der Größe der ummauerten Fläche, die etwa ein Zehntel der Stadt ausmacht, auf die Zahl der jüdischen Einwohner Toledos rückschließen will, so dürfte die Gemeinschaft zwischen zwei- und viertausend Personen gezählt haben. Ein bedeutender Bevölkerungsanteil also, über den für die dreihundertjährige muslimische Herrschaft über Toledo nur wenig bekannt ist. Das Schweigen der

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