72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
unvermeidlich ist. Also befohlen waren Sie? Von wem?“
„Von dem König.“
„Sie sind doch nicht seine Untertanin.“
„Aber Königen gehorcht man stets.“
„Wenn Majestät es nicht gewünscht hätte, so wären Sie wohl nicht zu dieser Ehrendienstleistung bereit gewesen?“
„Wohl kaum.“
„Weshalb? Ach, ja! Die drei anderen Damen waren Ihnen nicht genehm.“
„Sie irren sich. Paula und Martha sind unschuldig an den Sünden ihrer Väter. Ihre Gesellschaft ist mir ganz angenehm.“
Er sah ihr tief in die Augen. Sie senkte den Blick. Er bemerkte, daß es schmerzlich um ihre Lippen zuckte.
„Milda, Sie sind wirklich krank“, sagte er. „Sie sind sehr unwohl. Nehmen Sie einen Mund voll frischer Luft. Bitte, lassen Sie mich Sie nach dem Garten begleiten!“
Er bot ihr den Ann und sie widerstrebte nicht. Es war ja besser, sich so bald wie möglich auszusprechen.
Er führte sie nach dem Garten, nach demselben Garten, in welchem damals der italienische Geigenvirtuos, Konzertmeister Rialti, so viel Pech gehabt hatte. Da begannen sie, langsam auf und ab zu gehen.
„Darf ich vielleicht erfahren, was sie so krank gemacht hat?“ fragte er.
„Sie dürfen nicht bloß, sondern Sie müssen es erfahren“, antwortete sie.
„Nun bitte!“
„Sie wissen, was mein Vater gesündigt hat, und daß ich die Ehre und das Vermögen eines anderen herzustellen habe.“
„Ist es diese unglückliche Angelegenheit?“
„Ja.“
„Ich würde sie ruhen lassen.“
„O nein.“
„Sie werden niemals ihren Zweck erreichen. Diese Familie ist verschollen.“
„Das habe ich bisher geglaubt.“
„Bisher? Sie glauben es also nicht mehr?“
„Nein.“
„Haben Sie einen Grund dazu?“
„Ich habe eine Spur.“
„Ach! Wohin führt sie?“
„Von Amerika herüber nach Bayern.“
„Was Sie sagen.“
„Jener Herr von Sandau ist gestorben, und seine Witwe ging mit ihrem Knaben nach Bayern, wo sie ein mehr als kärgliches Brot verdiente.“
„Milda!“ rief er ganz betroffen aus. „Woher wissen Sie das? Wer hat es Ihnen gesagt?“
„Davon später. Der Sohn wuchs heran und wurde ein braver, tüchtiger Mann. Er lernte mich kennen; er erfuhr, daß mein Vater den seinigen um seine Ehre, sein Vermögen und seine Freiheit gebracht hatte. Er konnte das alles zurückfordern; er konnte mir alles, alles nehmen, auch die Ehre seines Namens. Er tat es nicht, der Edle; er blieb arm; er behielt die Schande und schwieg. Was sagen Sie dazu?“
Rudolf antwortete nicht.
„Kennen Sie diesen jungen Mann?“
Erst nach einigen Augenblicken sagte er:
„Milda, da hat mir jemand einen recht, recht unangenehmen Strich durch meine Rechnung gemacht. Wer es auch sei, ich muß ihm zürnen und möchte es ihm nie vergeben.“
„Wollen Sie gegen ihn unedler sein als gegen mich?“
„Sie haben recht. Aber eingestanden, daß ich nicht bloß Sandau, sondern von Sandau heiße, ist denn das für Sie so ein großer Grund, sich unglücklich zu fühlen?“
„Ja, ein sehr großer.“
„Warum?“
„Darf ich ganz offen sein?“
„Ich bitte darum!“
„Auch wenn das, was ich sage, nicht ganz weiblich zurückhaltend klingen wird?“
„Sprechen Sie getrost. Ich werde Sie nicht mißverstehen, jetzt nicht und überhaupt nie.“
„Wäre ein anderer der Betreffende, so würde ich ihm alles geben, was ich besitze, und dann mich meiner Armut freuen. Mein Herz wäre dabei unbeteiligt.“
„Und jetzt? Ist es anders?“
„Oh, wie anders! Rudolf, nicht wahr, wir lieben uns, lieben uns herzlich?“
„Herzlich und innig, meine Milda!“
„Und grad das ist's, was mich so unglücklich macht. Hätte ich einem Fremden alles geben müssen, so wäre es mir doch erlaubt gewesen, Ihnen zu gehören. Der bürgerliche Baumeister hätte mich geliebt und über den Makel meines Namens weggesehen. Der Baron aber, der Sie sind, kann das nicht. Wir müssen unsere Liebe begraben, und ich kann nichts tun, als in Verborgenheit zu verschwinden. Jedenfalls finde ich eine Freistatt bei meinem Bruder Max. Ich werde Sie nie vergessen und wünsche Ihnen aus treuer, steter Liebe und für Ihren beispiellosen Edelmut des Himmels reichsten Segen. Morgen sollen Sie alle Papiere empfangen, mit Hilfe deren Sie die Ehre Ihres Namens leicht wieder herzustellen vermögen. Ein Inventarium all meines bisherigen ungerechten Besitztums liegt dabei. Es gehört alles Ihnen, und ich bitte nur, meine Kleider und die persönliche Wäsche behalten zu dürfen.“
Sie sagte das
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