72 - Der Weg zum Glück 07 - Insel der Gefangenen
halblaut und mit unterdrücktem Schluchzen.
„Milda“, rief er aus. „Was denken Sie von mir! Sie sprechen von meinem beispiellosen Edelmut und trauen mir doch zu, gegen Sie, grad gegen Sie so beispiellos ohne alle und die mindeste Rücksichtnahme zu handeln! Nein, nein! Ich habe an den Fall gedacht, daß Sie entdecken könnten, daß ich der Gesuchte bin, und mir reiflich überlegt, wie ich in diesem Fall zu handeln habe. Soll ich es dir sagen?“
„Bitte, Rudolf.“
„Nämlich der König weiß alles –“
„Wer hat es ihm gesagt?“ fragte sie schnell.
„Der Sepp.“
„Ist der so eine unvorsichtige Plaudertasche?“
„O bitte! Ich glaube nicht, daß wir ihm mit Recht diesen Namen geben dürfen. Eine Unvorsichtigkeit ist es nicht von ihm.“
„Hat er es mit deiner Einwilligung getan?“
„Nein. Er hat dieselbe nicht nachgesucht, denn er wußte ganz genau, daß ich sie ihm verweigert hätte; aber meiner Mutter hat er Andeutungen gemacht und, da sie ihn nicht deutlich verstand, aus ihren Worten wohl die Überzeugung geschöpft, daß sie ihre Zustimmung gebe. Seine Absicht war jedenfalls eine sehr gute.“
„Davon bin ich gern überzeugt, denn ich kenne ihn. Eine böse oder schlimme Absicht kann der alte Sepp wohl überhaupt niemals verfolgen.“
„Auf keinen Fall. Er hat es wirklich und ernstlich gut gemeint. Wie die Sachen stehen, kann unsere Angelegenheit nicht ohne das Einschreiten der königlichen Huld so geordnet werden, daß für beide Teile eine Befriedigung erwächst.“
„Wie meinst du das?“
„Die verlorene Ehre meines Vaters kann unmöglich auf gewöhnlichem Weg wieder hergestellt werden, ohne daß die deinige darunter leidet.“
„Das ist freilich wahr.“
„Wenn ich diese Angelegenheit bei der Gerichtsbehörde anhängig machte, was doch der gesetzlich vorgeschriebene Weg ist, so würden die Untersuchungsakten hervorgesucht werden müssen, damit der Fall von neuem verhandelt werde. Ich müßte die Beweise von der Unschuld meines Vaters, welche sich in deiner Hand befinden –“
„Und welche ich dir natürlich unbedingt und unweigerlich zur Verfügung stellen werde“, unterbrach sie ihn.
„Dessen bin ich überzeugt. Ich müßte diese Beweise dem Verteidiger übergeben und sie also zur Kenntnis des Staatsanwalts bringen. Die Folge davon wäre natürlich, daß die Unschuld meines Vaters und die Schuld des deinigen erwiesen würde. Den letzteren würde man in contumaciam verurteilen, ja man würde vielleicht sogar nach seinem gegenwärtigen Aufenthalt forschen, um ihn persönlich herbeizubringen, und auf alle Fälle würde sein Name der Ehre beraubt.“
„Das würde allerdings geschehen. Und darauf bin ich ja auch vorbereitet.“
„Warum aber soll das geschehen, wenn es einen Weg gibt, die Unschuld meines Vaters zu beweisen, ohne daß auf den deinigen ein öffentlicher Makel fällt?“
„Du meinst, daß dies möglich sei?“
„Gewiß. Ich habe mich dir bisher nicht zu erkennen gegeben, weil ich dich liebe und weil mir die Ruhe deines Herzens noch heiliger ist als die meinige. Aber ich sagte mir doch, der Fall könne eintreten, du möchtest auf irgendeine Weise erfahren, daß ich der von dir Gesuchte sei. Dann wollte ich auf das Betreten des gerichtlichen Weges verzichten. Ich wollte mir die Beweise von dir erbitten und sie in die Hände des Königs legen. Der Monarch wird sich überzeugen, daß mein Vater unschuldig gewesen ist, und in seiner Hand steht die Macht, dies zu veröffentlichen und unsere Ehre zu restituieren, ohne daß die deinige oder diejenige deines Vaters angetastet wird. Der König hat sich bereit dazu gezeigt. Er hat dem Sepp erklärt, daß er um deinetwillen die Schuld deines Vaters unerwähnt lassen wolle. Auf dieser Weise kann die Angelegenheit zur beiderseitigen Zufriedenheit geordnet werden. Das haben wir dem Sepp zu verdanken, und darum dürfen wir ihm nicht zürnen, daß er Schritte getan hat, zu denen er sich nicht vorher die Erlaubnis von uns einholte.“
„Wenn du die Sache so darstellst, habe ich ihn allerdings zu loben anstatt zu tadeln.“
„Ja, er weiß stets, was er tut.“
„Aber dennoch habe ich Bedenken.“
„Welches?“
„Wird man auch wirklich allgemein an die Unschuld deines Vaters glauben, wenn dieselbe nicht durch Nennung des eigentlich Schuldigen erwiesen wird?“
„Warum nicht?“
„Man wird glauben, daß es sich nur um einen Akt königlicher Gnade handle.“
„Daran ist nicht zu denken.“
„O
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