760 Minuten Angst
irgendwie in dieses grausame Spiel involviert wurde.
Genau wie sie selbst.
»Wir sind gleich da«, sagte er und zog regelrecht an Valentinas Arm, die gerade langsamer wurde. »Geht es Ihnen nicht gut?«
Er hatte ihre leeren Augen bemerkt und seine Fürsorge meldete sich schlagartig zu Wort.
»Es … es geht schon, es ist nur …« Valentina musste sich erst fangen. »Sie sind so nett und hilfsbereit und ich kenne nicht einmal ihren Namen.«
»Simon.«
»Wie bitte …?«
Der Mann hatte so schnell geantwortet, dass Valentina die Antwort nicht bewusst wahrnehmen konnte. Die ganze Geschichte nahm sie wohl doch mehr mit, als sie sich eingestehen wollte. Ihr war die Situation peinlich. Sie kam sich wie ein Teenager vor, der sein erstes Date mit einem reiferen Mann hatte.
»Mein Name«, antwortete er ausführlicher. »Simon Grünau, um genau zu sein. Und wenn wir schon dabei sind, wie darf ich Sie nennen?«
»Valentina«, kam es stotternd aus ihrem Mund. »Valentina Seelheim. Tut mir leid, dass ich bis jetzt …«
»Schon gut, schon gut«, unterbrach Simon. »Sie müssen sich nicht immer für alles entschuldigen. Ich kann deutlich sehen, dass Sie dieser Brief aufgewühlt hat und ich will auch gar nicht wissen, worum es geht, es ist nur …«
Es folgte eine kleine Pause.
»Eigentlich wollte ich nur diesem Mann einen Gefallen tun. Doch als ich Sie sah, nun, Sie erinnern mich ein wenig an meine Schwester, die ich schon lange nicht mehr gesehen habe.«
Nun wirkte der Mann bedrückt.
»Aber lassen wir dass, ich schweife ab. Was ich eigentlich sagen wollte. Ich will Ihnen einfach helfen, das ist alles.«
»D … danke …« Mehr gab es nicht zu sagen.
»Schon gut«, erwiderte Simon und richtete dabei seinen Blick nach vorne. »Sehen Sie, wir sind schon da.«
Nun sah auch Valentina in Simons Blickrichtung und erkannte einen Rundtempel, der ihr mehr als bekannt war. Schon so viele Male war sie daran vorbeigegangen und ein paar Mal hatte sie ihn sich auch genauer angesehen, aber nie hatte Valentina ihn wirklich betrachtet.
Vier steinerne Treppen führten auf ein rundes Podest, das von sechs weißen Rundsäulen umgeben war, die eine mit Blech verkleidete Kuppel hielten.
» Das ist also der Fürst?«, fragte Valentina ungläubig.
»Nun, nicht ganz. Lassen Sie sich überraschen.«
Mit diesen Worten führte er Valentina immer noch an der Hand zum Rundtempel und blieb mit ihr vor der kleinen Treppe stehen. Erst jetzt konnte sie den Sockel mit der Büste eines Mannes in der Mitte des Podests erkennen. Auch ihn hatte sich Valentina schon mehrmals angesehen.
»Und das ist jetzt der Fürst?«
Simon konnte sich ein Lächeln nicht verkneifen.
»Ich glaube, die Sache mit dem Fürsten darf man nicht so genau nehmen.«
»Wie meinen Sie das?«
»Nun, wie Sie sicherlich wissen, ist das hier die Fürst -Anselm-Allee und dieses Denkmal zeigt den Astronomen Johannes Kepler, der einige Zeit in Regensburg gelebt hat. Ich bin der Meinung, dass Ihr Freund genau diesen Ort in Ihrer Nähe gemeint hat.«
»Es hört sich zumindest richtig an. Vielen Dank nochmal, dass Sie mir geholfen haben. Aber …«
»… aber den Rest müssen Sie alleine erledigen?«, beendete Simon ihren Satz. »Ich verstehe. Ich wünsche Ihnen viel Glück dabei, Valentina.«
»Danke, Simon.«
Zum ersten Mal hatten Sie sich mit ihren Vornamen angesprochen und da beide wussten, dass es wohl ein Abschied für immer sein würde, wollte sie diesen Moment in vollen Zügen genießen. Valentina wusste nicht wieso, aber in der kurzen Zeit hatte sie Simon richtig lieb gewonnen. Sie wollte ihn nicht verlassen.
»Es wird Zeit«, übernahm Simon die Kontrolle und ließ ihre Hand los. »Viel Glück, Valentina.«
»Nochmals danke für alles«, sagte sie und gab Simon unerwartet einen Kuss auf die Wange. »Damit Sie mich nicht vergessen.«
» Das könnte ich nie.«
Dann verschwand Simon aus ihrem Leben und ließ sie allein zurück. Zum ersten Mal, seit dieser Alptraum begonnen hatte, war Valentina völlig allein und ihr wurde schmerzhaft bewusst, wie verloren sie sich fühlte.
Sarah war immer noch nicht aufgetaucht oder hatte ein Lebenszeichen von sich gegeben. Wie passend und erschreckend dieser Gedanke doch war. Aber Valentina wollte sich diesem Irrsinn nicht hingeben.
Bestimmt ist das nur ein albernes Spiel. Sarah ist eben ein verrücktes Huhn und diese Schnitzeljagd ihre neue, wenn auch bizarre Idee, mich auf Trab zu halten. Ja, so wird es sein. Ganz
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