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760 Minuten Angst

760 Minuten Angst

Titel: 760 Minuten Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schmid
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wurde, bemerkte Rick auch die offenstehende Tür zu seiner Wohnung, die er definitiv nicht vergessen hatte zuzumachen.
    Ich hatte also Recht. Verdammt!
    Ohne noch mehr Zeit zu verschwenden, stieß Rick die hölzerne Tür zu seiner Wohnung auf. Er raste den Flur entlang, sah sich wild in alle Richtungen um und brüllte dabei immer wieder den Namen seiner treuen Katze.
    »Klara? Klara! Klara! Klara, wo bist du?!«
    Doch es kam kein Antwortmauzer oder eine graue Klara, die sich ihren Weg zum Flur bahnte. Es blieb bei der erdrückenden Stille, die Rick wahnsinnig machte. Hätte er seine eigene Stimme nicht gehabt, wäre er womöglich bereits durchgedreht.
    »Klara! Rocko! Hey, ihr Mistviecher! Hört auf mich zu veralbern und kommt endlich her! Verdammt nochmal! Klara! Rocko! Wo seid ihr?!«
    Während er seiner Verzweiflung Ausdruck verlieh, inspizierte Rick jedes einzelne Zimmer. Mit Bad und Küche fing er an und nun stand er in seinem spartanisch eingerichteten Wohnzimmer, wo Klara meist auf dem Sofa auf ihn wartete. Doch nicht heute. Diesmal wartete etwas ganz anderes auf ihn.
    Ihm stockte der Atem.
    Verhöhnend lag die beigefarbene Schachtel auf dem purpurroten Kissen. Es war Klaras Lieblingsplatz, auf der sie es sich fast immer bequem machte, um darauf stundenlang zu schlafen. Rick hätte die Postkarte mit seinem handgeschriebenen Namen darauf überhaupt nicht gebraucht, um sicherzugehen, dass das Paket von ihm war.
    Natürlich verstand Rick keineswegs, was das alles bedeutete und warum ein Irrer seine beiden Lieblinge entführte, doch spielte das überhaupt eine Rolle? Schließlich war Rick bereits am Ende seines Lateins und hatte gar keine andere Wahl, als sich dem Willen »Cs« zu unterwerfen, wenn er Rocko und Klara jemals wiedersehen wollte.
    So war es auch nur verständlich, dass er sich fast automatisch auf das dunkelbraune Stoffsofa setzte. Für einen kurzen Moment genoss er regelrecht dieses weiche, beruhigende Gefühl der Geborgenheit und Normalität.
    Es war fast zur Routine geworden. Rick ging meistens gegen achtzehn Uhr mit Rocko spazieren. Dabei nahmen sie immer denselben Weg durch den Prüfeninger Stadtgarten und ab und an warf er für seinen Vierbeiner einen Tennisball, den dieser daraufhin brav zu seinem Herrchen zurückbrachte. Schließlich musste er Rocko ja irgendwie beschäftigen und bei Kräften halten.
    Nachdem sich sein Hund genug ausgetobt hatte, gingen sie wieder zurück, wo Klara auf dem Sofa und ihrem Lieblingskissen wartete. Rick gesellte sich zu ihr, während Rocko sich vor dem Sofa ausbreitete. Dann gab es erst mal eine ordentliche Streicheleinheit für seine Königin, die sie in vollen Zügen genoss. Den restlichen Abend verbrachte das ungewöhnliche Trio dann gemeinsam vor dem Fernseher, ehe sie zu Bett gingen.
    Rick genoss sein Leben und bereute nichts davon. Er war schon immer lieber unter Tieren als unter Menschen gewesen, da sie wesentlich ehrlicher und treuer waren. Doch nun musste er sich einem Wahnsinnigen stellen, der seine heile Welt bedrohte.
    Seine Tagträume ignorierend, nahm Rick endlich die Postkarte an sich, die eigens für ihn geschrieben wurde.

    Lieber Richard,

    dieses Päckchen ist ganz allein für deine Augen bestimmt. Du darfst den Inhalt nur allein begutachten. Lehn dich zurück und genieß die Ruhe vor dem Sturm. Wenn das Signal ertönt, beginnt es.

    Viel Spaß, »C«

    Das war es also.
    »C« hatte sein Leben auf den Kopf gestellt und für ihn eine neue Welt geschaffen, die aus einem Kinderspiel bestand, das er zuletzt mit sieben Jahren gespielt hatte. Jetzt, wo er sich daran erinnerte, musste er sogar zugeben, dass er als Kleinkind richtig gute Freunde gehabt hatte.
    Eigentlich war Rick immer der Überzeugung gewesen, nie etwas mit anderen Menschen anzufangen gewusst zu haben, doch nun kreisten seine Erinnerungen um jene Jahre, wo er noch unschuldig und voller Vorfreude das Leben genoss. Es stimmte wohl, dass Kinder wirklich nichts mit Erwachsenen gemein hatten.
    Wie wohl eine Welt nur aus Kindern aussehen würde? Es wäre bestimmt ein friedlicher und schöner Ort. Vielleicht sollten wir nie erwachsen werden.
    Wie gerne hätte Rick seine Gedanken weiter schweifen lassen, doch es blieb keine Zeit mehr dafür.
    Denn die Musik erwachte!

    Der Mann führte sie weiter durch den Park. Für Außenstehende mussten sie wie ein Liebespaar wirken, das den sonnigen Nachmittag genoss. In Wirklichkeit aber war Valentina zerstreut und der Mann ein völlig Fremder, der

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