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760 Minuten Angst

760 Minuten Angst

Titel: 760 Minuten Angst Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Schmid
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Stotteransprache der Welt.
    Frau Schwaiger lächelte und trat einen Schritt zur Seite, um Ben den Eintritt zu ermöglichen. Obwohl ihm das Lächeln aufgesetzt und künstlich erschien, erleichterte es dennoch sein Herz und ließ ihn aufatmen. Vielleicht war noch nicht alles verloren.
    Die Tür wurde hinter ihm geschlossen und Frau Schwaiger bedeutete ihm, ihr zu folgen. Ben gehorchte wortlos. Im Wohnzimmer angekommen, zeigte Frau Schwaiger auf die dreiteilige, etwas durchgelegene Sofagarnitur und sagte: »Nehmen Sie doch bitte Platz, Herr Koch.«
    Ein schweigsames Nicken, dann setzte sich Ben wie geheißen und wartete ungeduldig, dass auch Frau Schwaiger Platz nahm. Sie wählte den Sessel schräg links von ihm. Wie ein nervöser Dreizehnjähriger bei seiner ersten Verabredung spielte Ben mit seinen Fingern, unfähig, etwas zu sagen.
    Ich bin ein solcher Vollidiot!
    »Sie haben gar nicht Ihre Arbeitskleidung an, Herr Koch«, unterbrach Frau Schwaiger die Stille, nachdem Ben keinen Anfang fand. »Ich dachte, sie wollten mir bei einem Problem helfen?«
    Stimmt, an das hatte Ben überhaupt nicht mehr gedacht. Er hatte sich ja bereits umgezogen! Seine Tarnung war dahin.
    Na toll, Benni. Ganz toll! Du bist wirklich der König der Vollidioten! Kannst du denn überhaupt nichts richtig?
    »Wie … wie gesagt, Frau Schwaiger, diesmal geht es eigentlich um ein … ein ganz anderes Problem.«
    Ben versuchte das Wort »anders« besonders hervorzuheben, aber es gelang ihm nicht so, wie er es gewünscht hatte. Egal, er musste in der Rolle bleiben. Ansonsten war alles umsonst.
    »Herr Koch, es tut mir wirklich leid, aber ich verstehe beim besten Willen nicht, was Sie von mir wollen und warum Sie zu mir gekommen sind. Ich habe weder bei der Hausverwaltung angerufen, noch habe ich ein Problem, wofür ich einen Hausmeister bräuchte.«
    »Genau darum geht es ja, Frau Schwaiger«, antwortete Ben und versuchte erneut, besonders charmant zu wirken, doch leider machte er dabei eher eine komische Figur. Auch die Tatsache, dass er an den Rand des Sofas und damit näher an Frau Schwaiger herangerutscht war, machte es nicht besser. Er hatte eindeutig kein Talent dafür.
    »Herr Koch, ich habe wirklich noch andere Sachen zu erledigen.« Ihr Tonfall wurde zunehmend schärfer. »Also, entweder Sie sagen mir jetzt ganz deutlich, warum Sie hier sind, oder Sie verlassen sofort meine Wohnung. Verstanden?«
    Sie versuchte taff zu wirken, was bei Ben auch gut funktionierte, doch in Wirklichkeit hatte sie ein mulmiges Gefühl in der Magengegend. Die Situation war ihr nicht geheuer. Zwar kannte sie Herrn Koch nun schon einige Jahre und er war immer nett, höflich und zuvorkommend gewesen, aber heute war er irgendwie anders. Überhaupt nicht er selbst.
    Während Frau Schwaiger sich Gedanken um Ben machte, war es im gleichen Atemzug Ben, der sich über sie seine Gedanken machte.
    Ihm war Frau Schwaigers rüder Umgangston nicht entgangen und die Situation entglitt ihm von Sekunde zu Sekunde. Ihm blieb nur noch ein Versuch, das stand fest. Er musste daher seine Worte mit Bedacht wählen.
    »Tut mir leid, Frau Schwaiger.« Eine Entschuldigung war nie verkehrt, dachte Ben. »Ich wusste nur nicht, wie ich am besten damit anfangen soll. Es ist ja auch kein einfaches Thema und ich bin auch …« noch eine Jungfrau , hätte er fast gesagt, aber im letzten Moment konnte Ben doch noch abbrechen und umschwenken. » … nicht so geübt darin.«
    »Bitte, Herr Koch, sagen Sie einfach, was Sie von mir wollen«, flehte sie ihn regelrecht an. Sie wollte es hinter sich bringen. Sie wollte Gewissheit haben.
    »Frau Schwaiger … ich … ich wollte … wissen sie … ich kenne Sie nun schon drei Jahre und ich habe noch nie einen Mann bei Ihnen gesehen und …«
    Diesmal unterbrach ihn Frau Schwaiger.
    »Und was bitte geht Sie das an, Herr Koch?«
    Sie war sichtlich wütend über diese Aussage. Ben verlor sie Stück für Stück.
    »Nein, nein, Frau Schwaiger, so meinte ich das nicht … es ist nur … nur … ich selbst habe auch keine Freundin und ich dachte mir … wir könnten … naja … wir beide …«
    »Herr Koch, wollen Sie mir etwa sagen, dass Sie etwas von mir wollen? Ich meine, dass Sie Gefühle für mich hegen?«
    »Ich … nein … also … so war das eigentlich …«
    Doch es war vorbei.
    Ben fühlte sich, als würde er unter der Dusche stehen, so wie ihm der Schweiß vom Körper ran. Seine Stimme versagte ihm zudem den Dienst. Eigentlich wollte er Frau

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